Seit Samstag, 24. November gibt es auch in Wien ein Refugee-Camp. Rund 150 Asylwerber_innen waren Samstagvormittag im sogenannten Betreuungszentrum Ost in Traiskirchen (ca. 20 km südlich von Wien) aufgebrochen, um mit zeitweise mehreren hundert Unterstützer_innen zu Fuß nach Wien zu ziehen.
Im Sigmund-Freud-Park neben der Universität Wien wurde eine Zeltstadt für die Geflüchteten aufgebaut. Hier wollen sie nun bleiben, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Die sind allerdings umfangreich, und reichen von besseren Dolmetscher_innen über Verbesserungen der Lebensbedingungen bis zu einem Abschiebestopp und Bewegungsfreiheit für alle. Bislang wurde das Refugeecamp im Stadtzentrum geduldet.
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URGENT DEMANDS
1. Our asylum should be continued as far as the situation in our countries does not get better.
If this is not the case, we should have the possibility to prolong our legal stay here in Austria. If you don´t allow us to stay any longer here or before you decide to deport us, please cancel our fingerprints so we have the possibility to seek for asylum in other countries and avoid getting us deported.
2. We need a work permission. We want to be self-sustainable, we don´ t want to depend on the State. We reclaim back our dignity as human beings.
If you agree with our demands, please support and join us at the refugee camp at Sigmund Freud Park!
1. Il nostro asilo dovrebbe essere prolungato finché la situazione nei nostri paesi non migliori.
Se ciò non avviene, vorremmo avere la possibilità di prolungare il nostro soggiorno legale qui in Austria. Se non ci permettete di rimanere o se decidete di deportarci, vi preghiamo di cancellare le nostre impronte digitali, in modo che possiamo domandare asilo in altri paesi per non essere deportati.
2. Abbiamo bisogno di avere il permesso di lavorare. Vogliamo auto-sostenerci, non vogliamo dipendere dallo Stato. Vogliamo che ci sia restituita la nostra dignità come esseri umani.
Se siete d’accordo con le nostre rivendicazioni, vi preghiamo di sostenerci e di partecipare al nostro campo di protesta al Sigmund Freud Park.
1. Notre asile devrait être continué tant que la situation dans notre pays ne s’améliore pas
Quand ce n’est pas le cas, nous devrions avoir la possibilité de prolonger notre séjour ici en Autriche.
Si vous ne nous permettez pas de rester ou avant de décider de nous déporter, svp effacez nos empreintes digitales, afin de nous donner la possibilité de demander l’asile dans d’autres pays et d’éviter de nous faire déporter.
2. Nous avons besoin de permis de travail. Nous voulons gagner notre vie, nous ne voulons pas dépendre de l’état. Nous voulons regagner notre dignité humaine.
Si vous êtes d’accord avec nos demandes, svp supportez et rejoignez nous auprès du refugee camp au Sigmund Freud Park!
1. Unser Asyl sollte gewährleistet sein. Insbesondere, solange die Situation in unseren Ländern sich nicht verbessert hat. Ist dies nicht der Fall, sollten wir die Möglichkeit haben, unseren legalen Status in Österreich zu verlängern.
Wenn ihr uns nicht erlaubt länger hier zu bleiben und uns abschieben wollt, dann bitte löscht unsere Fingerabdrücke, sodass wir in einem anderen Land um Asyl ansuchen können und nicht abgeschoben werden.
2. Wir brauchen eine Arbeitserlaubnis. Wir wollen für uns selbst sorgen. Wir wollen nicht vom Staat abhängig sein. Wir verlangen, dass man uns unsere Würde als Menschen zurückgibt.
Stimmen Sie mit unseren Forderungen überein, dann unterstützten Sie uns und schließen sich unserem Flüchtlingscamp im Sigmund Freud Park an!
Abseits von der Aufregung über angebliche Demo-Behinderung weist der Asylwerberprotest auf die tiefen Defizite im Flüchtlingswesen hin
Die AsylwerberInnendemo aus Traiskirchen nach Wien geht mit viel Aufregung einher. Es begann am Abend davor, mit der Nachricht, dass im Flüchtlingslager just am Demo-Samstag eine morgendliche Anwesenheitskontrolle angesetzt worden sei. Das sei auf Zetteln zu lesen, die eigens aufgehängt worden seien. Ein Zettel wurde fotografiert und samt einem Artikel im STANDARD und auf derStandard.at veröffentlicht. Stunden später meldete sich die “Falter”-Journalistin Nina Horacek auf Twitter zu Wort: Aushänge wie diesen habe sie bei Besuchen im Erstaufnahmezentrum schon vor Monaten fotografiert – denn derlei Anwesenheitskontrollen fänden regelmäßig statt.
Das war auch die Message, die aus dem Innenministerium kam. Der Personenstand werde im Lager tagtäglich überprüft, aus “organisatorischen Gründen”. Zwar werde auf besagten Zetteln für den Fall von Abwesenheit die Abmeldung angedroht. Aber das gelte nur für den Fall ungerechtfertigter Abwesenheit – und somit nicht für die Demo-Teilnahme. “Die Ausübung des Demonstrationsrechtes ist ein gerechtfertigter Grund”, präzisierte Innenministeriumssprecher Karlheinz Grundböck: Eine klare Ansage aus dem Zentrum polizeilicher Macht, auf die man sich in den kommenden Tagen wird beziehen können – sollten nach Traiskirchen zurückkehrende AsylwerberInnen wider Erwarten dort doch Schwierigkeiten bekommen.
Doch war damit die Aufregung zu Ende? Mitnichten. Das geplante Protestlager von Flüchtlingen im Wiener Sigmund-Freud-Park werde vielleicht nicht stattfinden können, denn in Traiskirchen könne es in den kommenden Tagen durchaus weitere Anwesenheitskontrollen geben, hieß es am Samstag von Seiten der ÖH. Trotz anderslautender Infos: Die Nachricht von der behördlichen Demo-Behinderung hielt sich.
Am Thema vorbei?
Warum dies? Weshalb herrscht im Umfeld dieser Demonstration, die auf die unzureichenden Lebensumstände der Flüchtlinge in Traiskirchen und Österreich insgesamt hinweisen will, eine solche Konzentration auf die Reaktionen der Behörden? Angesichts der beachtlichen Aufmerksamkeit, den der Protest der Flüchtlinge und ihrer UnterstützerInnen hervorgerufen hat – das ORF-Radio berichtete Samstagnachmittag mehrfach in den Nachrichten über den Demo-Zug – erscheint das als Ablenkung vom Thema.
Das wiederum ist schade, denn bei der Unterbringung und Betreuung von AsylwerberInnen in Österreich liegt tatsächlich viel im Argen. Die größten Brocken darunter – und ein paar zusätzliche Punkte – sind als “Forderungen der protestierenden Flüchtlinge” im Demo-Aufruf aufgelistet. Die Spannbreite geht weit über die “Zustände in Traiskirchen” hinaus, die als Fokus der Demo bisher im Mittelpunkt standen – und über die gesondert zu berichten ist.
Da ist, nur zum Beispiel, – erstens – die bis dato völlig unhinterfragte Verlegungspraxis aus Traiskirchen in die Länder. Angesichts von deren Quartiergeiz sind die Wünsche und Bedürfnisse der umzusiedelnden Flüchtlinge das allerletzte, was dabei berücksichtigt wird. Das führt dazu, dass junge Burschen, die – Stichwort: Arbeitsverbot für Asylwerber- zur Untätigkeit verdammt sind, in abgelegene Berggasthöfe transferiert werden, ohne jede infrastrukturelle Anbindung. Für sie und viele andere AsylwerberInnen eine Qual.
Verlegungen ohne Rücksicht
Und sollte ein Flüchtling woanders in Österreich für ihn wichtige soziale Kontakte haben: egal, wer verlegt wird, muss folgen! So wie es vor ein paar Jahren einem nach Folter schwer traumatisierten Mann aus Tschetschenien geschah, der in Wien, beim Traumatherapieverein Hemayat, Psychotherapie machte. Obwohl es ihn fast um den Verstand brachte – er wurde gezwungen, nach Mürzzuschlag in die Länderbetreuung zu übersiedeln. Seine weitere Geschichte wird in meinem “Schwarzbuch Menschenrechte” geschildert.
Da ist – zweitens – das völlig unzureichende “Taschengeld” für AsylwerberInnen, 40 Euro pro Monat, die unter anderem auch für Tickets in Öffis reichen müssen. Das verurteilt viele AsylwerberInnen zum Schwarzfahren, denn sie können sich Fahrscheine schlicht nicht leisten. Doch auf Nachfrage bei manchen Öffi-Betreibern heißt es nur. “Dann soll er (oder sie) doch zu Fuß gehen!”
Da ist – drittens, aber sicher nicht letztens – der Umstand, dass AsylwerberInnen während ihres Verfahrens beruflich und ausbildungsmäßig völlig aufs Abstellgleis gestellt werden. Neben dem Arbeitsverbot mit seinen verunselbstständigenden, krankmachenden Folgen werden ihnen auch Deutschkurse nur in geringem Ausmaß angeboten.
Integrationsverbot
Grund dafür: So lange unklar ist, ob sie Asyl erhalten, sollen Flüchtlinge sich in Österreich nicht integrieren. Das ist der offizielle, politische Wille. Wie hieß es einst, zwischen 1989 und 1995, unter Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) im Ministerium – und wurde durch Gesetzesverschärfungen roter wie schwarzer MinisterInnen in der Folge weitergetrieben: “Die Lebensumstände von Asylwerbern müssen so sein, dass es für sie möglichst unattraktiv ist, nach Österreich zu kommen.”
Wenn manche Flüchtlinge jetzt beginnen, dies zu erkennen und dagegen zu protestieren, ist das ein wichtiger Schritt – trotz des bestehenden Risikos, dass diese “Anmaßung” durchaus dazu führen kann, die Kronen-Zeitung-dominierte veröffentlichte Meinung gegen sie aufzubringen. (Irene Brickner, derStandard.at, 24.11.2012)
Wir sind Flüchtlinge, in Österreich angekommen um Asyl zu suchen und hier ein neues Leben aufzubauen. Unsere Länder sind zerstört, durch Krieg, Militärgewalt, und Armut aufgrund kolonialistischer Politik. Wir kommen aus Pakistan, Afghanistan, Somalia, Nigeria, Gambia, Syria, Kurdistan, Iran und anderen Ländern und sind nun hier im Flüchtlingscamp Traiskirchen. Wir dachten, dass wir in diesem Camp Hilfe und Unterstützung von Österreich bekommen, aber was wir hier gesehen und erfahren haben, ist, dass der österreichische Staat bisher nicht gezeigt hat, dass wir willkommen sind. Wir verharren im Flüchtlingscamp unter sehr schlechten Bedingungen.
Wir, die Flüchtlinge aus Traiskirchen erheben nun unsere Stimmen und fordern unsere Rechte. Wir verlangen von den Verantwortlichen folgende Verbesserungen:
Die Dolmetscher*innen, die während der Asylverfahren im Einsatz sind, müssen alle durch neue ersetzt werden. Diese Dolmetscher_innen arbeiten hier seit sehr langer Zeit, machen Witze über Betroffene. Es bestehen gravierende Kommunikationsprobleme. Die Dolmetscher_innen übersetzen teilweise absichtlich falsch – dies hat negative Auswirkungen auf die Gerichtsverfahren sowie die Interviews mit Behörden/Beamten. Die Folge sind oftmals negative Bescheide sowie schnelle Abschiebungen. Es gibt mehrere Fälle, in welchen in diesem Zusammenhang bereits innerhalb 2 Wochen der zweite negative Bescheid ausgehändigt wurde.
Wir fordern wieder Zugang zum Verwaltungsgerichtshof und mehr Verfahrenshilfe. Es werden mehr Anwaltsverteter_innen gefordert, weil ein privater Anwalt bis zu 2000 Euro kosten kann.
Alle Abschiebungen müssen gestoppt werden. Es muss den Menschen möglich sein, hier zu bleiben oder in ein weiteres Land zu gehen.
Wir fordern mehr Dolmetscher_innen für Arztbesuche, insbesondere Übersetzer_innen der Urdu Sprache.
Wir fordern generell mehr Ärzte und Ärztinnen für Flüchtlinge.
Es gibt viele Überstellungen in abgeschiedene, ländliche Gegenden. Das muss gestoppt werden da vor Ort benötigte Infrastruktur nicht gewährleistet wird. Die Menschen haben keinen Zugang zu Rechtsanwälten oder Möglichkeiten zum Einkaufen. Das bedeutet für Flüchtlinge faktisch Isolation, da sie derzeit nicht zu benötigter Hilfe kommen.
Im Camp selbst müssen Deutschkurse und Berufsvorbereitungskurse mit Praxis-Schwerpunkt z.B. im handwerklichen Bereich eingeführt und abgehalten werden. Auch für die Deutschschule brauchen wir Übersetzer_innen.
Kinder von Familien, die im Camp leben, müssen in reguläre lokale Schulen mit ortsansässigen Kindern gehen können.
Das Essen muss gesünder und nahrhafter sein. Die Flüchtlinge müssen die Möglichkeit haben, sowohl selbst zu kochen als auch das Essen in ihre Zimmer mitzunehmen.
Saubere und gute Kleidung und Schuhe für alle Jahreszeiten muss zur Verfügung stehen.
Die Arbeitsbedingungen im Camp müssen verbessert werden und der Betrag, der für Reinigen und Kochen bezahlt wird ist nicht ausreichen.
Tickets für den Öffentlichen Verkehr müssen unentgeltlich angeboten werden, zumindest für 3 Tage, so das jede und jeder die Möglichkeit hat, das Land, die Menschen, deren Leben kennenzulernen. So ist es auch möglich, zu Rechtsinformationen zu kommen und sich um den eigenen Fall rechtlich zu kümmern.
Wir benötigen einen Friseur für Männer und Frauen.
Das Taschengeld in der Höhe von 40.- monatlich ist absolut nicht ausreichend und muss erhöht werden.
Wir benötigen dringend diverse Sanitärartikel. Artikel wie Nagelscheren, Spiegel,… – es sind nicht einmal Spiegel in den Badezimmern vorhanden(!).
Im Flüchtlingscamp sind wir vom Rest der Welt isoliert weil wir keinen Internetzugang und kein Fernsehen haben. Wir benötigen beides, um Kontakt mit unseren Familien und Freunden zu haben. Obwohl wir im 21sten Jahrhundert leben haben wir keinen Zugang zu modernen Medien sowie modernen Formen der Kommunikation. Wir fordern freien Internetzugang in den Camps und TV mit Sat-Empfang um Informationen von der Welt zu erhalten.
Wir fordern diese grundlegenden Rechte von der österreichischen Regierung, der Europäischen Union, für Flüchtlinge weltweit. Wir ersuchen die österreichische Regierung, ihrer Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen nachzukommen.
Wir werden unsere Aktionen solange fortsetzen, bis unsere Stimmen gehört, und unsere Forderungen erfüllt sind.
24.11.2012 | 21:31
Asyl: Protestmarsch aus Traiskirchen erreicht Wien
An dem Marsch nahmen rund 100 Asylwerber und 400 Sympathisanten teil. In der Bundeshauptstadt wird für mehrere Tage ein Protest-Zeltlager errichtet.
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Eine Gruppe von Asylwerbern aus der Aufnahmestelle Traiskirchen ist am Samstagabend nach stundenlangem Fußmarsch an ihrem Ziel beim Sigmund-Freud-Park vor der Wiener Votivkirche angekommen. Zuvor hatten die protestierenden Asylwerber auf ihrem Weg in die Wiener Innenstadt noch vor dem Asylgerichtshof in der Laxenburger Straße für eine Kundgebung Halt gemacht. Im Sigmund-Freud-Park soll nun ein mehrtägiges Protest-Zeltlager bezogen werden.
Nach Angaben des Innenministeriums war die Gruppe bis zu ihrem Ziel auf rund 500 Personen angewachsen, davon etwa 400 Sympathisanten und 100 Asylwerber, hauptsächlich solche aus Pakistan.
Der Protestmarsch verlief laut Veranstalter und Polizei ruhig und ohne Zwischenfälle. Für Unruhe sorgte unter den Asylsuchern nach Angaben der Veranstalter allerdings das Gerücht, es werde in Traiskirchen noch um 21.00 Uhr Abend bzw. am nächsten Morgen eine sogenannte Standeskontrolle durchgeführt.
Ein Sprecher des Innenministeriums meinte dazu, eine Kontrolle noch am Abend sei “frei erfunden”, dergleichen sei keinesfalls geplant. Sonntag früh werde “wie jeden Tag” eine Anwesenheitskontrolle durchgeführt. Für alle jene Bewohner, deren Abwesenheit begründet sei, “weil sie etwa bei einem Arzt sind – oder von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen”, habe diese Kontrolle aber keinerlei Konsequenzen
Auch das geplante Zeltlager vor der Votivkirche werde von der Polizei als Ausdruck der Versammlungsfreiheit toleriert, hieß es aus dem Innenministerium.
Asylsuchende wollen für ihre Anerkennung und die Verbesserung ihrer prekären Situation kämpfen. Daher ergreifen sie die Initiative und treten am Samstag einen 35 km langen Protestmarsch von Traiskirchen nach Wien an. Nach der Ankunft in Wien soll vor dem Asylgerichtshof in der Laxenburgerstraße demonstriert und anschließend im Sigmund Freud Park ein Protestlager errichtet werden.
Traiskirchen – Ein Protestmarsch von Asylwerbern am Samstag vom Flüchtlingslager Traiskirchen nach Wien sorgte schon am Abend davor für Aufregung. Denn am Freitag hieß es, die Lagerleitung habe für den kommenden Morgen eine außertourliche Inspektion in allen Unterkünften der Erstaufnahmestelle angesetzt.
“Wichtig! Standeskontrolle mit Anwesenheitspflicht. Samstag, 24.11.2012 um 8:30 Uhr. Bei der Kontrolle haben alle Asylwerber in denen ihnen zugewiesenen Zimmern anwesend zu sein. Wer nicht anwesend ist, wird abgemeldet und befindet sich nicht mehr in Bundesbetreuung”, ist auf den Aushängen zu lesen; das Foto eines Exemplars liegt dem Standard vor.
Damit würden den Asylwerbern für den Fall der Inanspruchnahme ihres Demonstrationsrechts empfindliche Sanktionen angedroht, kritisierte Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun. “Ihnen blüht Ausschluss aus dem Lager Traiskirchen, somit Obdachlosigkeit und im schlimmsten Fall Illegalisierung”, hieß es in einer Aussendung der Pressestelle refugee protest.
Diese Gefahr bestehe keineswegs, konterte der Sprecher des Innenministeriums, Karlheinz Grundböck. Bei dem Zettel handle es sich um die “routinemäßige Ankündigung der täglichen Standeskontrolle”. Bei “begründeter Abwesenheit” werde kein Asylwerber abgemeldet, “und die Ausübung des Demonstrationsrechts ist eine solche”. Die Flüchtlingsdemo sollte Samstag um sieben Uhr früh mit Gebeten vor dem Lagertor beginnen. (Irene Brickner/DER STANDARD, 23.11.2012)
Rund 200 Menschen, darunter an die 150 Asylwerber, sind derzeit auf einem Protestmarsch von Traiskirchen nach Wien unterwegs. Ihr Protest richtet sich gegen die kritischen Bedingungen in der Erstaufnahmestelle. Am Abend hielt der Protestzug eine Kundgebung vor dem Asylgerichtshof in der Laxenburger Straße ab. Danach versammelte man sich im Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche, wo ein mehrtägiges Protest-Zeltlager errichtet wurde. (red/derStandard.at, 24.11.2012)
Asylwerber und Sympathisanten beziehen Zeltlager vor der Votivkirche
Wien – Eine Gruppe von Asylwerbern aus der Aufnahmestelle Traiskirchen ist am Samstagabend nach stundenlangem Fußmarsch an ihrem Ziel beim Sigmund-Freud-Park vor der Wiener Votivkirche angekommen. Zuvor hatten die protestierenden Asylwerber auf ihrem Weg in die Wiener Innenstadt noch vor dem Asylgerichtshof in der Laxenburger Straße für eine Kundgebung Halt gemacht. Im Sigmund-Freud-Park soll nun ein mehrtägiges Protest-Zeltlager bezogen werden.
Nach Angaben des Innenministeriums war die Gruppe bis zu ihrem Ziel auf rund 500 Personen angewachsen, davon etwa 400 Sympathisanten und 100 Asylwerber, hauptsächlich solche aus Pakistan. Allerdings hat sich die Zusammensetzung der Gruppe etwas verändert. Losmarschiert waren nach Angaben der Polizei am Vormittag etwa 150 Asylwerber und 50 Sympathisanten, in der Zwischenzeit haben etwa 50 Asylwerber aufgegeben, dafür sind etwa ebensoviele Sympathisanten hinzugekommen.
Der Protestmarsch verlief laut Veranstalter und Polizei ruhig und ohne Zwischenfälle. Für Unruhe sorgte unter den Asylsuchern nach Angaben der Veranstalter allerdings das Gerücht, es werde in Traiskirchen noch um 21.00 Uhr Abend bzw. am nächsten Morgen eine sogenannte Standeskontrolle durchgeführt.
Ein Sprecher des Innenministeriums meinte dazu, eine Kontrolle noch am Abend sei “frei erfunden”, dergleichen sei keinesfalls geplant. Sonntag früh werde “wie jeden Tag” eine Anwesenheitskontrolle durchgeführt. Für alle jene Bewohner, deren Abwesenheit begründet sei, “weil sie etwa bei einem Arzt sind – oder von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen”, habe diese Kontrolle aber keinerlei Konsequenzen.
35 Kilometer Fußmarsch
Die Asylwerber sind am Samstagvormittag mit zwei Stunden Verspätung zu ihrem etwa 35 Kilometer langen Fußmarsch aufgebrochen. Flüchtlingsbetreuer machten Behinderungen durch die Behörden für die Verzögerung verantwortlich, das Innenministerium wies diese Darstellung entschieden zurück.
Hans-Georg Eberl, einer der Organisatoren berichtete, dass man in der Früh noch eine Anwesenheitskontrolle im Lager durchgeführt habe. Deshalb habe sich der Protestmarsch erst gegen 11.00 Uhr in Bewegung setzen können und nicht wie geplant schon um 9.00 Uhr. Das Innenministerium wies den Vorwurf der Behinderung zurück. Ein Sprecher erklärte, es gebe in dem Lager täglich eine Standeskontrolle, auch an Wochenenden. Darauf werde in Aushängen in verschiedenen Sprachen auch aufmerksam gemacht. Dies sei wegen des hohen Belags von rund 1.400 Asylwerbern notwendig, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dabei handle es sich um Routine und nicht um eine Behinderung der Aktion.
Verbal kämpfen
Mit Slogans wie “Kein Mensch ist illegal!” wollen die Protestierenden verbal gegen die vorherrschenden Bedingungen kämpfen. Der Protest richtet sich nicht in erster Linie gegen die von der niederösterreichischen Landespolitik bekrittelte Überbelegung der Erstaufnahmestelle, sondern gegen die dortigen Bedingungen. Unter anderem beklagen die Flüchtlinge fehlende Winterkleidung, zu geringes Taschengeld, beengte Wohnmöglichkeiten und Schnellverfahren ohne entsprechende Berücksichtigung von Fluchtgründen.
Der Protestmarsch führt von Traiskirchen entlang der Badner Bahn nach Wien. Am Abend soll der Protestzug den Asylgerichtshof in der Laxenburger Straße erreichen. Nach einer Kundgebung dort will man in die Innere Stadt, konkret in den Sigmund-Freud-Park, weiterwandern. Dort soll ein mehrtägiges Protest-Zeltlager errichtet werden. Laut ÖH Uni Wien, die sich an der Errichtung des Camps beteiligt, war es Samstagmittag noch unsicher, ob das Camp stattfinden kann, da es in den kommenden Tagen weitere Anwesenheitskontrollen geben könnte. (APA/red, derStandard.at, 24.11.2012)