Freundeskreis Cornelius Koch: Die Kirche als Oase der Barmherzigkeit

Das Gewissen hat vor einem zu harten Gesetz Vorrang (…) Man kann nicht Menschen aus einem Haus ausweisen, das nicht unser Haus ist, sondern jenes des Vaters.
Bischof Bernard Genoud (1942 – 2010) der Diözese Fribourg, Genf und Lausanne, 2001

Die Kirche als Oase der Barmherzigkeit

Der Hungerstreik der Flüchtlinge in der Votivkirche in Wien hat auch bei uns in der Schweiz Betroffenheit ausgelöst. Wir wissen aus Erfahrung, dass sich die Hilfesuchenden erst aus letzter Verzweiflung in die Kirche flüchten und deren Schutz in Anspruch nehmen. Deshalb hoffen wir inständig, dass sich die staatlichen Behörden in Österreich zur Bereitschaft durchringen, zusammen mit der helfenden Hand der Kirche eine menschliche Lösung für die betroffenen Menschen zu finden. Dass dies möglich ist, wenn auch schwierig für alle beteiligten Seiten, haben unsere Erfahrungen mit Kirchenasyl in der Schweiz gezeigt.
Seit Mitte der 1980ger-Jahre kam es in verschiedenen Regionen der Schweiz zu Kirchenasyl, das Flüchtlinge, die von der Abschiebung bedroht waren, in Anspruch nahmen. Dies führte jeweils zu einer nervenaufreibenden Konfrontation zwischen Staat und Kirche. Dadurch dass sich Pfarrer und Helfer oft bis über ihre Belastungsgrenze einsetzten und bei den Verhandlungen mit den Behörden nicht locker liessen, konnten staatliche Fehlentscheide korrigiert und Menschenleben gerettet werden.
„Wenn die Fremden eine Kirche besetzen und mit ihrer Anwesenheit erfüllen, wage ich zu sagen, sie weihen sie erneut. Es gibt eine erste Weihe vom Bischof. Es gibt eine zweite Weihe durch die Fremden. Diese zweite Weihe ruft uns in Erinnerung, dass der Fremde heilig ist: Denn er ist Mensch. Er ist wertvoll für Gott.“

Dies sagte der katholische Priester Cornelius Koch (1940-2001), der sich Zeit seines Lebens für Flüchtlinge und andere Ausgegrenzte einsetzte und bei Kirchenasyl an mehreren Orten federführend dabei war. Er betonte, dass es sich beim Kirchenasyl um eines „der ältesten Rechte der Kirche“ handle, „das in der Geschichte gegen Prinzen, Fürsten, Könige und Kaiser verteidigt wurde.“
Die schutzsuchenden Flüchtlinge in den Kirchen der Schweiz lösten eine breite Debatte über die Berechtigung des Kirchenasyls und über das Widerstandsrecht gegen behördliche Entscheide aus. Es wurde aufgezeigt, dass es auch in einem sogenannten Rechtsstaat um der Bewahrung der Menschlichkeit willen notwendig sein kann, die sture Handhabung der geltenden staatlichen Gesetze in Frage zu stellen. Dabei können sich die Pfarrer auf das Kirchenrecht berufen und sogar auf staatliches Recht, das Ausnahmen festlegt, wie zum Beispiel die „Notstandshilfe“: die rechtswidrige „Tat, die jemand begeht, um das Gut eines andern, namentlich Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Vermögen, aus einer unmittelbaren, anders nicht abwendbaren Gefahr“ zu erretten, bleibt straflos.
Kaplan Cornelius Koch nahm während des Kirchenasyls von Zürich-Seebach in den Jahren 1985/86 zu dieser Frage wie folgt Stellung: „Man kann uns Pfarrern nicht den Vorwurf machen, wir seien gegen den Rechtsstaat. Noch immer gaben wir dem ‚Kaiser’, was dem Kaiser gebührt – aber niemals werden wir ihm das zusprechen, was ihm nicht gebührt: das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden. Kirchenasyl – im Tiefsten ist es Gnade vor Recht. Diese Gnade ergiesst sich auch über andere; denn plötzlich scharen sich Christen beider Konfessionen um die Kirche: Wer sich für die Flüchtlinge einsetzt, pflegt nicht irgendein karitatives Hobby – er berührt eine Lebensader der Christentums. Es ist ein Gefühl der Freude, eine pfingstliche Begeisterung, die ausbricht angesichts einer Kirche als Oase der Barmherzigkeit, die Flüchtlinge rettet – vielleicht auch einmal mich?“

In diesem Sinne wünschen wir den verzweifelten Menschen, die in der Votivkirche in Wien Schutz suchen, dass sie nicht nur von der Kirche barmherzig empfangen, sondern auch gastfreundlich von der Bevölkerung Österreichs und deren staatlicher Institutionen aufgenommen werden.

Für den Freundeskreis Cornelius Koch / Solidarité Chrétienne:
Claude Braun​, Hannes Reiser, ​Michael Rössler

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