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Version française
31.12.2012:
Brief an die Öffentlichkeit von einem der Protestierenden im Hungerstreik
Die Kriegssituation in Kurram Agency, Pakistan
Ich komme aus Pakistan, wo ich in den Federally Adminstered Tribal Areas (kurz FATA, Bezeichnung für Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) in Kurram Agency, K.A., (Parachinar ist der Verwaltungssitz) wohnte. In Pakistan gibt es sieben sogenannte Agencies, und die pakistanische Regierung sieht diese Agencies als rückständige Regionen an.
Kurram Agency wird von Schiiten und Sunniten bewohnt und ich bin Schiit. Die Mehrheit der Bevölkerung in Kurram Agency sind Schiiten. 1982 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten, dann war für zwei Jahre Frieden. Danach folgte wieder Krieg. 1987 wurde mein Haus das erste Mal von den Sunniten zerstört und drei meiner Familienmitglieder starben, zwei wurden verletzt. Auch 1996 und 2002 herrschte wieder Krieg, doch er dauerte nur einige Tage.
Seit 2007 bis jetzt herrscht nun wieder Krieg zwischen Schiiten und der Taliban; AlQuaida und Laskar-e-Taiba sind auch involviert. Diese Gruppierung wollen, dass die Schiiten den USA ihre Erlaubnis geben, dass wir gegen die NATO kämpfen.
Die Situation ist deshalb so wie sie ist, weil K.A. in der Nähe der afghanischen Grenze liegt. An der Grenze zu Afghanistan ist auch die NATO stationiert und unsere Leute erlauben diesen Gruppen nicht hereinzukommen, da, sollten wir den Gruppierungen die Erlaubnis geben, die NATO kämpfen und uns attakieren würde. Im Laufe dieser fünf Jahre haben wir (Schiiten) 4000 Menschen verloren und Tausende wurden verletzt. Das waren Alte, Frauen, Kinder und Männer.
In diesem Krieg verlor ich selbst mein Haus und mein kleiner Bruder und meine zwei Cousins starben wegen dieser Gruppen; ich habe alles verloren. Ich verlor zwei Mal mein Haus (1987, 2008).
Wenn wir von Parachinar (meine Stadt) nach Peshawar (Verwaltungssitz) gehen wollen, können wir (Schiiten) das nicht direkt tun, obwohl beide Städte in Pakistan liegen. Wir müssen zuerst nach Afghanistan Kabul, dann nach Turkmenistan und dann erreichen wir Peshawar. Dieser Weg ist auch gefährlich, aber wir gehen ihn trotzdem, aus Notwendigkeit. Die Reise dauert 24-27 Stunden, anstelle der 5 Stunden.
Auf der Straße durch Afghanisten verloren wir (Schiiten) mehr als 100 Menschen, weil die Taliban sie umgebracht oder gekidnappt haben. Manchmal stellt die pakistanische Regierung eine militärische Eskorte zur Verfügung, damit die Schiiten von Parachinar nach Peshawar gehen können, aber auf dem Weg attackieren die Taliban, die AlQuaida und deren Mitglieder den Konvoi und die Schiiten. Auf diese Art verloren wir mehr als 1000 Menschen, aber außer der Eskorte unternimmt die Regierung keine anderen Maßnahmen dagegen. Schiiten gibt es in ganz Pakistan, aber sie sind eine Minderheit. Jeden Tag sind die Schiiten ein Ziel um getötet zu werden.
Wannimmer ein Bus durch Pakistan fährt, stoppen die Mitglieder dieser Gruppen den Bus und fragen nach der Identität der Passagiere. Wenn sie herausfinden, dass diese Schiiten sind, bringen sie sie um. Diese Situation herrscht seit drei, vier Jahren und jeden Tag werden Schiiten umgebracht. Auch heute (30/12/12) wurde 25 Menschen von einer unbekannten Gruppierung getötet [“Mindestens 20 Tote in Pakistan”]. Das ist auch hier in den Nachrichten.
In K.A. haben wir auch Probleme Medizin, Essen und andere Dinge, die wir zum Leben brauchen, zu bekommen. Sie können Kurram Agency nicht erreichen, weil die Taliban alle Straßen in Peshawar unter ihrer Kontrolle haben und sie in der Mehrheit sind.
Wir haben oft gegen die Situation protestiert, in Pakistans Hauptstadt und in anderen Städten. Aber die Regierung unternahm nichts .
Auch in anderen Agecies gibt es viele Probleme. In den sieben Agencies in Pakistan kommt es immer wieder zu Explosionen von Bomben, Drohnenattacken und zu geplanten Tötungen. Aber in unserer Region haben wir ein speziell religiöses Problem.
Flucht von Pakistan nach Österreich
Ich bin gebildet. Ich habe einen Master in Betriebswirtschaftslehre von der Universität in Peshawar. Während meines Studiums versuchten Unbekannte drei Mal mich umzubrinen und ein Mal schossen sie auf mich, aber Gott rettete mich vor den Schüssen. Ich verließ diese Stadt und ging in eine andere, um dort mein Studium weiterzuführen. Aber auch dort verfolgten sie mich. Ich war gezwungen Pakistan zu verlassen und mein Leben zu retten. Ich hatte schon meinen kleinen Bruder und zwei Cousins und auch mein Haus verloren. Ich habe nur mehr meine Eltern und eine kleine Schwester, aber sie befinden sich in einem sehr schlechten Zustand.
Aufgrund dieser Zustände verließ ich Pakistan und kam nach Österreich, um mein Leben zu retten.
Ich bin seit 14 Monaten hier in Österreich, aber nun gab Österreich mir zwei negative Bescheide und sagte mir, ich solle in ein anderes Land gehen. Aber wie soll ich in ein anderes Land gehen, wenn meine Fingerabdrücke hier gespeichert sind? Das ist für mich nicht möglich. In Pakistan habe ich religiöse Probleme und in Österreich erlaubt mir die Regierung nicht hierzubleiben.
Der Flüchtlingsprotest in Österreich
Jetzt sind wir am 24. November von Traiskirchen nach Wien marschiert. Dort waren wir für ein Monat in einem Park. Dann, am 22. Dezember, begannen wir mit unserem Hungerstreik in der Kriche, da wir unsere Rechte wollen. Wir sind mehr als 40 Menschen im Hungerstreik und jeden Tag werden drei, vier Leute ins Spital gebracht, auch heute sind fünf Menschen im Spital. Ich wurde auch ein Mal ins Spital gebracht.
In der Kriche haben wir auch viele Probleme, denn manchmal erscheint die Polizei außerhalb des Camps und versucht uns unter Druck zu setzen. Einmal kam die Polizei um vier Uhr in der Nacht und beseitigte das Camp. Wir in der Kirche hatten große Angst und alle wachten auf.
In der Kirche ist es so kalt. Der Priester schließt manchmal die Toilettentüren ab und unterdrückt uns. Er schloss auch das Haupttor der Kirche. Er behandelt uns wie Gefangene. In der Kirche unterstützen uns die Mitglieder der Caritas und es gibt auch ein medizinisches Team für Notfälle in der Kirche. Damit bin ich zufrieden.
Zum Schluss möchte ich sagen, dass wir liebenswerte Menschen sind. Wir wollen Friede und Menschlichkeit und Respekt. Ich mag Österreich sehr gerne. Es gibt liebenswerte und respektvolle Menschen; es ist so ein schönes Land. Die Caritas hat mir eine Unterkunft gegeben und auch einen Deutschkurs. Ich liebe das alles. Es gibt auch ein Gesundheitswesen.
Aber ich stimme den Asylregeln und vorschriften nicht zu. Wenn die Regierung uns kein Asyl gewährt, warum halten sie uns dann in dieser Art gefangen und warum entfernen sie nicht unsere Fingerabdrücke aus der Datenbank? Die Regierung sagte mir, dass ich Österreich innerhalb von 14 Tagen verlassen müsse. Das ist keine Gerechtigkeit.
Jetzt weiß ich nicht, was ich tun werde: In Pakistan habe ich religiöse Problem und in Österreich gibt mir die Regierung nicht die Erlaubnis zu bleiben.