Lunacek nach Votivkirche-Besuch: „Mikl-Leitner darf sich nicht hinter EU-Mindeststandards verstecken“
Grüne für sofortige Löschung der EURODAC-Fingerabdrücke-Daten nach Asyl-Gewährung
„Der Protest der Asylwerber in der Votivkirche zeigt deutlich woran es im europäischen Asylsystem krankt. Wir haben in Europa und in Österreich keine Flüchtlingskrise, sondern eine humanitäre Krise. Deswegen weise ich jede FPÖ-Verunglimpfung dieser Flüchtlinge und der NGOs bzw der kirchlichen VertreterInnen, die sich sich dieser Menschen annehmen, auf das Schärfste zurück. An den Pranger gehört das europäische Asylsystem, das zu einem Abschreckungssystem verkommt. Auch die anstehende Neuformulierung der Dublin-Verordnung und der Aufnahmerichtlinie wird weder eine gerechtere Verteilung der AsylwerberInnen in den Mitgliedsstaaten, noch substanziellere Verbesserungen für AsylwerberInnen in Europa bringen. Deswegen genügt es nicht, wenn sich Innenministerin Mikl-Leitner hinter EU-Mindeststandards versteckt. Keinem Land ist es genommen, Verbesserungen bei der Grundversorgung umzusetzen oder den Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen zu öffnen. Ich schließe mich der Meinung unserer Menschenrechtsprecherin Alev Korun an: Auch wenn wir in einem Wahljahr sind, zählt Problemlösungskompetenz und nicht auf stur schalten und auf Umfragen schielen“, erklärt Ulrike Lunacek, Europapsprecherin der Grünen und außenpolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament, nach ihrem heutigen Treffen mit den Asylwerbern in der Votivkirche.
Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) erklärt sich solidarisch mit den Anliegen der Refugees, da diese “auf einem menschenrechtlichen Fundament [basieren], das wir als tragende Säule unseres Zusammenlebens ansehen”. Aus diesem Anlass hat das BIM außerdem eine eigene Schriftenreihe ins Leben gerufen. Mehr dazu ist unter dem Menüpunkt “Human Rights” zu finden.
Seit dem 24. November machen zahlreiche Geflüchtete, unterstützt von Verwandten, FreundInnen und AktivistInnen auf die prekäre Situation von Geflüchteten in Österreich und Europa aufmerksam. Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) begrüßt diese Bewegung und solidarisiert sich mit dem Protest der Geflüchteten sowie den folgenden konkreten Vorschlägen der Wiener Refugee Protestbewegung zur Verbesserung der Situation von Geflüchteten in Österreich und Europa:
die Gewährleistung der Grundversorgung für alle AsylwerberInnen,
den Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildungsinstitutionen und Sozialversicherung,
die freie Wahl des Aufenthaltsortes sowie Zugang zum öffentlichen Wohnbau ,
den Stopp aller Abschiebungen im Zusammenhang mit der Dublin II-Verordnung in Zielländer, deren Asylsystem nicht in Einklang mit Grund- und Menschenrechten ist.
die inhaltliche Überprüfung negativ beschiedener Asylverfahren durch eine unabhängige Instanz sowie
Schaffung eines Schutzstatus für Personen die aufgrund von sozioökonomischen Gründen ihre Herkunftsländer verlassen müssen.
Das BIM unterstützt diese Vorschläge, zumal sich das Institut seit seiner Gründung mit den Grundlagen etlicher dieser Forderungen auf wissenschaftlicher Basis beschäftigt. Die Umsetzung der Vorschläge der Wiener Refugee Protestbewegung sind ein erster wichtiger Schritt zu einer menschenrechtskonformen Grenz-, Asyl- und Migrationspolitik in Europa. Wir appellieren daher an alle österreichischen EntscheidungsträgerInnen, insbesondere aber an das österreichische Innenministerium, die Proteste in diesem Sinne als Chance zu begreifen und mit den Geflüchteten in der Votivkirche ehest möglich Gespräche zu deren Forderungen wieder aufzunehmen um gemeinsam mit den Geflüchteten und der österreichischen Zivilgesellschaft eine Lösung zu finden, die in Einklang mit den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen Österreichs steht. Darüber hinaus sollten die Proteste auch als Gelegenheit wahrgenommen werden, die europäische Grenz-, Asyl- und Migrationspolitik grundsätzlich zu überdenken und zu reformieren!
Deutschsprachige Version veröffentlicht in KLEINE ZEITUNG, Freitag, 25. Jänner 2013:
Votivkirche: School of Democracy
The probably most important event that took place last Sunday was not the referendum on the military service, but a gentle, hardly noticed gesture shown by the refugees in Votivkirche. The activists who have spent weeks braving the cold have set a unique act: When receiving the Ute-Bock special award and yet another one, the said thank you and passed the prize money on to Caritas in order that they would use it for the needy.
Thereby the refugees have once more made it clear that their struggle is not about charity or about an improvement solely of their own situation. They are pursuing the political goal of a humane and fair treatment of refugees and asylum seekers in Austria. The refugees in Votivkirche, a part of whom has been on hunger strike until recently, are first and foremost fighting for their dignity and for their political rights. In this respect they have pushed various demands: basic services (Grundversorgung) for all asylum seekers; the free choice of residence and access to public housing; access to the labor market, to educational institutions and to social insurance; and last but not least the recognition of economic motives as reasons for fleeing.
These demands are not immoderate. They contain fair conditions that Austrian human rights organisations have long been claiming and that the government has categorically rejected.
Wir unterstützen die Forderungen der Asylanten in der Votivkirche nach Verbesserung der Asylpolitik – gerade auch im Hinblick auf unsere Asylbewerber/innen vor Ort und in ihre Anliegen. Wir fordern – besorgt über die Not der Betroffenen – dazu dringend auf, den Dialog mit Asylanten und Asylbewerbern wieder aufzunehmen und an einer Verbesserung der Lage der Asylwerber weiterzuarbeiten.
Den hier in Altmünster einquartierten Asylbewerbern/-innen ein Mindestmaß an menschenwürdigem Dasein zu ermöglichen, bemüht sich hier vor Ort eine Initiative vieler Menschen tatkräftig, nachdem die zuständige Politik sie lange wie eine gefährliche unliebsame Fracht herumgeschoben und schließlich z.T. ohne Vorbereitung und Motivierung der Öffentlichkeit ungefragt zugeteilt hat.
Als Bürgerinnen und Bürger, denen diese Menschen am Herzen liegen, teilen wir in vielen Punkten deren Kritik am strukturellen Umgang mit Asylsuchenden, wie sie auch von den hungerstreikenden Asylbewerbern der Votivkirche in Wien formuliert wurde: lange Ungewissheit über Verhandlungsausgang, Übergehung subjektiver Bedrohungsumstände und Ängste der Betroffenen, lange Verweigerung von Arbeitsmöglichkeiten, Versorgung unter dem Existenzminimum und glz. Verbot von zusätzlichem Gelderwerb…Schließlich die Ausweisung nach negativem Bescheid trotz nun schon länger gewachsenen Bindungen vor Ort und unter Missachtung familiärer Banden,…
Wir sehen in den Ansagen unserer Innenministerin – „sie sehe keinen Bedarf in der Frage des Zugangs zum Arbeitsmarkt zu handeln“, „es gebe keine weiteren Gespräche mehr“, „Österreich sei ohnedies schon Vorbild im europäischen Vergleich, indem es nach 3 Monaten Asylverfahren bereits einen beschränkten Arbeitsmarktzugang ermöglicht“ – eine unakzeptable Verweigerung der zuständigen Politik vor den existenziellen Nöten dieser Menschen. Die Beteuerung, man könne nicht wegen einiger Einzelschicksale und engagiert vorgetragener Schicksalsschreie Ausnahmen vom Recht in einem Rechtsstaat einräumen, gibt sich zwar objektiv und sachlich, ist aber faktisch oft Geringachtung der Würde und Situation der Betroffenen und der vielen Einzelschicksale.
Wir fordern deshalb dringend – gerade von Seiten der für diesen Bereich zuständigen und verantwortlichen Politik- Offenheit für das weitere Gespräch mit den Betroffenen und deren Hilfseinrichtungen. Wir verlangen von der verantwortlichen Politik Aufmerksamkeit für die Not dieser an den Rand unserer Wohlstands-Gesellschaft gedrängten Menschen. Wir fordern weiter, jene Einrichtungen, die diesen Menschen in Not durch tätige ilfe beistehen und ihnen Stimme geben (wie Caritas, Volkshilfe,…), in die Lösung einzubinden. Wir erwarten uns vielmehr ein erlebbares und auch die Öffentlichkeit dahingehend motivierendes Zugehen auf Asylsuchende von Seiten entscheidender Politiker unseres Landes und nicht eine Politik, die den Boden für Fremdenangst, -skepsis und –hass bereitet.
Die Gastfreundschaft eines Landes erweist sich nicht nur im Umwerben zahlungskräftiger und nützlicher Besucher, sondern zeigt sich wesentlicher und glaubwürdiger gerade im Umgang mit Menschen, die die Not und Existenzangst in unser Land führt. Mit ihnen Leben und Wohlstand ein kleines Stück zu teilen macht niemanden arm und wäre tatsächlich beispielhaftes „europäisches Vorbild“. Sich hingegen als Vorbild hinzustellen, weil es in Europa auch Staaten gibt, die Asylsuchende noch länger im Ungewissen lassen, redet bloß die eigene Verweigerung und Untätigkeit in dieser Sache recht und schön.
Unserem Ort wurden Menschen, die um Asyl in Österreich ansuchten, vom zuständigen Ministerium zugeteilt. Viele Menschen dieses Ortes gehen offen und hilfsbereit auf sie zu. Natürlich erleben sie dabei etwas mit von der Not und Sorge dieser Menschen. Mit der Sorge und Bemühung um sie wächst aber auch die Verbundenheit und Verantwortung für diese anvertrauten Menschen. Aus eben dieser Verantwortung für diese Menschen wenden wir uns mit der Aufforderung an die zuständige Politik, die Rahmenbedingungen von Asylanten und Asylbewerbern im bleibenden Gespräch mit diesen Menschen und deren Hilfseinrichtungen immer mehr zu verbessern( z. B. Zugang zu Arbeitsmöglichkeit, bessere Versorgung und rücksichtsvolleren Verfahrensumgang,…) und Gespräche nicht zu verweigern.
Wir erwarten uns eine Politik, die selber vorbildhaft Skepsis, Angst und Voreingenommenheit gegenüber Fremden abbaut, eine Politik, die selber mutig Zeichen des offenen Zugehens auf diese Menschen und ihre Sorgen und Nöte setzt und nicht gar selber durch ihre Handlungen, Entscheidungen und Äußerungen zu einem menschenverachtenden, geringachtenden, und ignoranten Klima diesen Menschen gegenüber beiträgt. Gerade an den Fremden, die als Notleidende, Geängstigte und Verfolgte zu uns kommen, sollen sich gemeinsame Werte überzeugend zeigen.
Sg. Frau Minister, gehen Sie vielen um Menschen bemühten Initiativen als Vorbild voran und bedenken Sie Ihre oft kompromisslos wirkenden und wohl auch entsprechende Folgen bewirkenden Aussagen zur Sache vor diesem Hintergrund. Helfen Sie mit, dass sich Asylbewerber im Land Ihrer Zuflucht in ihren Nöten und Anliegen auf Aughöhe ernst genommen erleben.
Mit freundlichen aber besorgten Grüßen im Namen aller Mitglieder unserer Plattform Pfarrer Mag. Franz Benezeder, Mag. Almut Etz, Gerhard Jessl, Regina Keibliner
Im Zuge der Kampagne “Solidarisch Schlafen”, bei der prominente Unterstützer_innen eine Nacht in der Votivkirche verbringen, wollte auch Paul Poet (Filmregisseur, Kurator) seine Solidarität mit den Anliegen der Refugees zeigen. Leider war dies nicht möglich, da Poet der Zutritt zur Kirche aus fadenscheinigen Gründen verweigert wurde. Er ist damit leider nicht der erste, der vor verschlossenen Türen stehen gelassen wurde.
Im folgenden Paul Poets Eindrücke zur Situation in und um die Kirche:
“Hmmm, gemischte, eigentlich klar sturzwütende Gefühle vom Asyl-Camp der Besetzer in der Votivkirche gestern Nacht. Eine Situationsaufnahme:
64 Besetzer. 23 Hungerstreikende, teils in gesundheitlich bereits schwer bedenklichem Zustand. Mittlerweile verweigern sie sogar die Aufnahme von Hühnersuppe. Teilweise kann ihnen Zitronenkonzentrat als Vitaminersatz verabreicht werden, das aber extra rein geschmuggelt werden muss. Ich soll wie mit Kirche und Caritas besprochen als so genannter “Promi-Unterstützer” um 20 Uhr eingelassen werden, um die Nacht dort für Gespräche und als stärkende Schulter mit den Asylsuchenden zu verbringen.
Say it loud and say it clear: refugees are welcome here!
Ingrid Scherney – 24. Januar 2013
Über die sozialen Netzwerke wurde Anfang der Woche zu einer Solidaritätsaktion mit den Protesten von Refugees in und um die Wiener Votivkirche aufgerufen.
Say it loud and say it clear: refugees are welcome here!
Ingrid Scherney – January 24, 2013
At around the beginning of the week a call for action was announced via social online networks to show solidarity with the refugees’ protestes in and around Votiv Church in Vienna.
Hardly anyone could stay cool when thinking and talking about the burning hearts in the freezing cold Votiv Church. On the contrary: heated discussions had broken out all over the country. Everyone at this peaceful demonstration [in Linz] could see, hear and feel this. It has been an eternity since I had last joined a demonstration: Today the time was right, and also the matter. I was having a relatively unbusy on-call duty and I was in the neighbourhood – so I went to the demo, out of solidarity with the people’s demands.
At the demonstration the core requests were announced with passion – the right of abode, the right to work and the right to the freedom of movement: Chanted by the demonstrators – many young people among them, by a refugee, who had hald out in Votiv Church for four weeks and who had just arrived from Vinna. „The same blood flows in all of us“, was one of the most touching statements.
Lücken im Asylsystem schließen, Arbeitsmarkt öffnen
Vorschläge zur Reform der Grundversorgung und für ein menschenwürdiges Betreuungssystem
Wien (OTS) – Die Proteste der Asylwerber vor und in der Votivkirche haben den Finger auf die Wunden im Asylsystem gelegt. “Exakt 20 Jahre nach dem Lichtermeer müssen für das österreichische Asylsystem noch immer die gleichen Forderungen erhoben werden”, betonen Asyl- und Menschenrechts-NGOs und üben scharfe Kritik an der fortgesetzten prekären Situation von Asylsuchenden in Österreich. “Die bisher von der Politik umgesetzten Schritte zur Milderung der Situation, wie etwa die minimale Erhöhung der Grundversorgung, sind zu wenig. Jetzt muss es um eine Öffnung des Arbeitsmarktes und eine Verbesserung der Grundversorgung gehen” so Anny Knapp, Sprecherin der asylkoordination österreich.
Willi Resetarits, Ehrenvorsitzender des Integrationshauses, kritisiert: “Aktuell sind Asylsuchende in Österreich zur Arbeitslosigkeit verurteilt. Die restriktiven Regelungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt bedeuten für sie eine Verschärfung von Armut und den gesellschaftlichen Ausschluss.” Wer so lange nicht arbeiten darf, verliert außerdem seine praktischen Fähigkeiten, und ein Einstieg in die Erwerbsarbeit wird dadurch viel schwieriger. “Die Möglichkeit der Erwerbsarbeit als unteilbares Menschenrecht muss endlich auch AsylwerberInnen zugänglich gemacht werden”, fordert Willi Resetarits.
Das Ausländerbeschäftigungsgesetz vom 1.5.2004 ermöglicht AsylwerberInnen zwar prinzipiell den Zugang zum Arbeitsmarkt 3 Monate nach der Asylantragstellung im Rahmen der Ausländerbeschäftigung. Dieser Zugang wird jedoch gleichzeitig durch den Bartenstein Erlass (aus 2004) auf Saison und Erntearbeiten eingeschränkt. “Die einzige sinnvolle Lösung ist die Aufhebung dieses Erlasses und ein voller Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende nach längstens 6 Monaten nach Asylantragstellung. Es ist vollkommen unsinnig, erwachsene Menschen, die für sich selbst sorgen können, jahrelang zum Nichtstun zu verurteilen!”, so der Vertreter des Integrationshauses.
Sicherung eines menschenwürdigen Lebensstandards von Asylsuchenden
Von NGOs liegen schon seit längerem Forderungen vor, die eine Reihe von Vorschlägen zur Sicherung eines menschenwürdigen Lebensstandards von Asylsuchenden beinhalten. An vorderster Stelle steht darin das Thema Wohnen, wo es um mehr Autonomie der Asylsuchenden gehen muss. “Für ein Leben in Würde sind Selbstbestimmung und Autonomie wesentlich. Statt in isolierten oft mangelhaften Quartieren kaserniert zu sein, muss die Möglichkeit zu individuellem Wohnen erleichtert werden. Eine Vollversorgung in organisierten Quartieren sollte der Vergangenheit angehören,” fordert Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe.
Angleichung des Systems der Grundversorgung an das System der Mindestsicherung
Mit Bezug auf die minimale Anhebung der Tagsätze für die Grundversorgung von AsylwerberInnen aus dem Jahr 2012 betont Erich Fenninger: “Jeder Mensch ist gleich viel wert. Es darf keine Diskriminierungen von AsylwerberInnen gegenüber BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung geben. Wir fordern deshalb eine Angleichung des Systems der Grundversorgung an das System der Mindestsicherung,” so der Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich. Anny Knapp, Sprecherin der asylkoordination österreich hebt außerdem hervor, dass Grundversorgungsquartiere in größeren Bezirkszentren angesiedelt sein sollten. “AsylwerberInnen sind oft an abgelegenen und ungeeigneten Standorten untergebracht und sind isoliert, weil sie sich Fahrtkosten nicht leisten können. Daher sollten dringend Mitentscheidungs- und Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Wohnorts geschaffen werden”, erläutert Anny Knapp die Notwendigkeit größerer Flexibilität des Grundversorgungssystems.
Sichere Einreise und gerechte Verfahren
Christoph Riedl, Leiter des Flüchtlingsdienstes der Diakonie, erinnert daran, dass zu einem guten Asylsystem, neben entsprechenden Unterbringungsstandards auch faire und rechtstaatliche Asylverfahren gehören würden. Österreich sollte sich daher für ein solidarisches Aufnahmesystem für Flüchtlinge in Europa einsetzen, anstatt verbissen am restriktiven Dublin-System festzuhalten. Die Dublin Regelung, die besagt, dass immer nur ein Land für die Prüfung eines Asylansuchens zuständig wäre, beschäftige sich viel zu stur mit der Frage der theoretischen Zuständigkeit und viel zu wenig mit der Frage des effektiven Zuganges zum Asylrecht. “Ein wirklich gutes europäisches Asylsystem würde sicherstellen, dass Flüchtlinge, die Schutz benötigen, diesen auch bekommen, gleichgültig in welchem Land sie Asyl beantragen,” so Riedl weiter.
Eine wichtige Maßnahme zur Schaffung von mehr Gerechtigkeit wären “geschützte Einreiseverfahren”, die es Flüchtlingen ermöglichen, sicher nach Europa zu gelangen. Eine Möglichkeit wäre über die Vertretungsbehörden in Krisenregionen sichere Korridore für Flüchtlinge zu schaffen, oder Flüchtlingskontingente, etwa im Rahmen des Resettlement Programmes von UNHCR, aufzunehmen. Das österreichische Asylsystem ist nach wie vor ein Hürdenlauf für Schutzsuchende. “Genau 20 Jahre nach dem Lichtermeer ist es höchste Zeit, endlich menschenwürdige Bedingungen für AsylwerberInnen in Österreich zu schaffen. Viele unserer Forderungen decken sich mit den Forderungen der protestierenden Flüchtlinge in der Votivkirche, denen unsere Solidarität, aber auch unsere Sorge um ihren Gesundheitszustand gilt! Nun ist die Politik gefordert, hier echte Lösungen anzubieten”, appellieren die NGO-VertreterInnen der Agenda Asyl gemeinsam an die Politik.
Diözese Linz unterstützte Solidaritätsveranstaltung mit AsylwerberInnen
Mag. Maximilian Mittendorfer, Bischofsvikar für Caritas und Soziales der Katholischen Kirche in Oberösterreich, nahm als Vertreter der Diözesanleitung am 17. Jänner 2013 an einer Linzer Solidaritätsveranstaltung mit den protestierenden Flüchtlingen in der Wiener Votivkirche teil, die von der Migrantinneninitiative Maiz unterstützt wurde. Die Katholische Kirche in Oberösterreich hatte die Initiative durch die spontane Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten in der Dompfarre Linz für die Durchführung einer Diskussionsveranstaltung mit dem Titel „We demand our rights“ unterstützt, denn, so Mittendorfer bei der Veranstaltung, „wir teilen wesentliche Anliegen der Flüchtlinge“.
Dr.in Tania Araújo von Maiz bedankte sich ausdrücklich für die gute Kooperation und das positive Signal seitens der Katholischen Kirche in Oberösterreich. Sie sprach von einem „historischen Moment“, denn erstmals gibt es in Österreich selbstorganisierte Proteste von AsylwerberInnen. Bei der Diskussion zu Wort kamen MigrantInnen aus Oberösterreich; hungerstreikende Flüchtlinge aus der Votivkirche in Wien waren via Skype zugeschaltet, bedanken sich für die Solidarität in Linz und betonten, dass sie den Protest weiterführen möchten, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, als für ihre Rechte mit friedlichen Mitteln zu kämpfen.
Konkrete Schritte der Politik gefordert
Bischofsvikar Mittendorfer betonte im Zusammenhang mit der Veranstaltung, dass es nicht nur individuelle Lösungen für die hungerstreikenden Flüchtlinge brauche, sondern auch strukturelle Verbesserungen im Asylsystem. Dazu gehören ein verbesserter Zugang zum Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen, schnelle und rechtsstaatliche korrekte Asylverfahren, Verbesserungen in der Grundversorgung und eine humane Umsetzung des Bleiberechts für Menschen, die schon viele Jahre unbescholten in Österreich sind. „Das fordern kirchliche Initiativen schon lange“, unterstreicht Bischofsvikar Mittendorfer die Dringlichkeit die Forderungen, die sich vor allem an die Österreichische Bundesregierung richten. Auch Caritas, Diakonie und Amnesty International haben gestern in einem gemeinsamen Appell auf rasche und qualitätsvolle Lösungen gedrängt.
Alltägliche gelebte Solidarität und ihre Grenzen
In vielen oberösterreichischen Gemeinden sind Pfarren, Pfarrbevölkerung, Caritas und andere kirchliche Initiativen gemeinsam mit anderen in der Unterstützung von AsylwerberInnen aktiv. Medial bekannte Beispiele der letzten Wochen sind Altmünster und Wolfsegg, vieles passiert aber auch im Stillen und im Kleinen. „Ich höre von den Solidaritätsgruppen vor Ort, dass die konkrete Hilfe und Unterstützung dort ihre Grenzen hat, wo es eigentlich strukturelle Veränderungen brauchen würde“, macht Bischofsvikar Mittendorfer deutlich. Es gehe auch um rechtliche Verbesserungen. Insbesondere ein verbesserter Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Bildung würde Asylsuchenden ermöglichen, selbst aktiv etwas beizutragen, eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. Arbeiten zu können ist zudem für Spracherwerb und Integration förderlich.
Univ. Prof. Dr. Marina Grzinic, Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, verbrachte eine Nacht mit den Flüchtlingen in der Votivkirche.
Sie kommen in den Westen, und der Westen ist wirklich reich, aber die Bedingungen unter denen Flüchtlinge zu leben gezwungen werden, das ist manchmal schlimmer als dort, von wo sie geflohen sind. Und sie sind geflohen, (…) wegen des grausamen Kapitalismus, der die Welt in eine Erste, Zweite und Dritte verwandelte und Millionen von Menschen die Würde und die Möglichkeiten nahm.
Dutzende Asylbewerber haben einen Monat lang in einer Wiener Kirche gehungert. Sie fordern ein faires Asylverfahren und eine menschenwürdige Grundversorgung. Österreichs Asylpolitik kommt in Bewegung. Seit Dienstag ist der Hungerstreik ausgesetzt.
Von Selina Stucki, Wien
Die Eskalation war vorhersehbar. Im November kamen im Asylbetreuungszentrum Traiskirchen auf ein Bett drei Flüchtlinge. Daraufhin entschieden sich zweihundert Zentrumsbewohner, die Öffentlichkeit in der Hauptstadt auf ihre Lage aufmerksam zu machen und mehr Menschlichkeit in der Asylbetreuung einzufordern. Zu Fuss gelangten die Asylsuchenden ins 35 Kilometer entfernte Wien, wo sie im zentral gelegenen Sigmund-Freud-Park ein Protestcamp errichteten. Zwei Tage später fanden die ersten Kundgebungen statt; mehrere Hundert Menschen sprachen den Protestierenden ihre Solidarität aus und unterstützten sie mit Zelten, Decken und warmer Suppe. Asylsuchende aus ganz Österreich nahmen ebenfalls an den Aktionen teil.
Nach wiederholten Polizeikontrollen im Protestcamp suchten rund sechzig Flüchtlinge kurz vor Weihnachten in der nahe gelegenen Votivkirche Schutz. Seither harren sie bei Temperaturen um den Nullpunkt im katholischen Gotteshaus aus, zwei Drittel verweigerten einen Monat lang jegliche Nahrung. Das Camp dagegen wurde am 28. Dezember durch ein polizeiliches Grossaufgebot niedergewalzt.
Zögerliche Antwort der Politik
Die in der Kirche Protestierenden, alles Männer, stammen mehrheitlich aus Pakistan. Die Asylanerkennungsquote dieser Männer liegt bei einem Prozent. Die anderen werden ausnahmslos zurückgeschickt, obwohl das Aussenministerium auf seiner Homepage «aufgrund hoher Terrorgefahr» vor Reisen nach Pakistan warnt. Die Forderungen der Protestierenden betreffen fundamentale Rechte: ein schnelles, faires Asylverfahren, die Grundversorgung aller Asylsuchenden, solange sie in Österreich sind, und die Möglichkeit, während des Verfahrens einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Auch wehren sie sich gegen Ausschaffungen.
Ali Asmat hat in den vergangenen vier Wochen zwölf Kilo an Gewicht verloren. Nach Österreich ist er gekommen, weil er dem Krieg entfliehen wollte: «Seit ich auf der Welt bin, kommt und geht der Krieg», sagt der 28-Jährige. Er stammt aus dem Bezirk Swat, einem der umkämpften Gebiete Pakistans. «Wir wünschen uns nur eine menschliche Behandlung», sagt er und ergänzt: «Ich will für mich selbst sorgen können und niemandem zur Last fallen.»
Lange Zeit blieben die Forderungen der Protestierenden von der Politik ungehört: Erst zwei Wochen nach Beginn des Hungerstreiks zeigte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zu einem Gespräch mit den Flüchtlingen bereit. Sie bekräftigte dabei jedoch, dass es keine strukturellen Änderungen im Asylwesen geben werde, da dieses «sehr gut funktioniert». Mittlerweile spricht sich allerdings die SPÖ für einen vereinfachten Zugang zu Arbeit für die Asylsuchenden nach einer Verfahrensdauer von sechs Monaten aus. Auch eine der grössten Gewerkschaften, die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP), stellt sich hinter einzelne Forderungen der Asylsuchenden.
Umstrittene Rolle der Caritas
Laut dem Sprecher der Caritas Wien, Klaus Schwertner, gehen die Verhandlungen nun in die richtige Richtung, wenn auch langsam. Eine schnelle Lösung sei dringlich nötig, denn die Lage spitze sich immer mehr zu: «Die Streikenden sind am Ende der Kräfte. 25 Mal musste die Ambulanz schon ausrücken.» Am Dienstagabend haben die Asylbewerber deshalb entschieden, ihren Hungerstreik vorerst für zehn Tage auszusetzen. Sie bleiben aber in der Kirche. Die Caritas zeigt sich über den Entscheid «erleichtert».
Die Rolle der Caritas ist allerdings umstritten. Ursprünglich von der Pfarrei gebeten, sich um die Asylsuchenden in der Votivkirche zu kümmern, habe die Caritas nun das «Betreuungs- und Zugangsmonopol zu den Hungerstreikenden», wie ein Sprecher der Unterstützungsbewegung kritisch formuliert. Eine von der Caritas beauftragte Sicherheitsfirma kontrolliere den Zugang zur Kirche. «Dies macht es uns schwer, die Asylsuchenden zu begleiten.» Die Caritas dagegen spricht von «linken Chaoten», die versuchen würden, die Asylbewerber zu instrumentalisieren. Die Eingangskontrolle sei deshalb zu deren Schutz.
Die Asylgeschäfte der Ors:
Ein «Knebelvertrag» aus dem Innenministerium
Seit Januar 2012 ist die private Schweizer Firma ORS Service AG für die Betreuung der Flüchtlinge im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zuständig. Eine ehemalige Kaserne dient als Übergangsquartier, in dem die Flüchtlinge befragt werden. Danach sollten sie auf die Bundesländer verteilt werden. Allerdings passiert das nicht so schnell wie ursprünglich vorgesehen. Deshalb war das Zentrum Traiskirchen in den letzten Monaten überfüllt.
Die ORS erntete schon vor Beginn ihrer Arbeit in Traiskirchen Kritik: Es sei fragwürdig, eine sensible Aufgabe wie die Betreuung von Asylsuchenden einer gewinnorientierten Firma zu überlassen, schrieb die Wochenzeitung «Falter». Die Hilfsorganisation Caritas bewarb sich damals nicht um den Betreuungsposten. Man habe die Bedingungen des Innenministeriums als «Knebelvertrag» empfunden, sagt der Sprecher der Caritas Wien, Klaus Schwertner, gegenüber der WOZ. Der Vertrag untersage jede Kommunikation gegen aussen.
Auch in der Schweiz steht die ORS immer wieder in der Kritik. Das Unternehmen erhielt in den letzten fünf Jahren mindestens 41,2 Millionen Franken für die Betreuung in den fünf Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes (siehe WOZ Nr. 51/12). In der temporären Unterkunft Eigenthal bei Kriens wurden Asylsuchende schikaniert und mangelhaft ärztlich versorgt. Ausserdem war die Betreuung und Ernährung der Flüchtlingskinder mangelhaft. Die ORS musste Fehler eingestehen und den Zentrumsleiter entlassen. Kritik gegen das Unternehmen wurde auch beim mittlerweile geschlossenen Bundeszentrum Tschorren auf dem Hasliberg und der Notunterkunft Hochfeld in Bern laut.
Hungerstrike by protesting refugees is interrupted for the next 10 days (for the rest of January), there’s no cooking possibility yet, food donations are welcome!
Please bring to the Votiv church from now.
Der Hungerstreik wurde von den Refugees bis Ende Januar unterbrochen. Kochmöglichkeit existiert vor Ort momentan keine, Essensspenden sind also sehr willkommen!
Spenden bitte ab sofort zur Votivkirche bringen. Danke!
* Version française ci-dessous * Deutschsprachige Version unten *
In the future the refugees will spread their activities of protest even more among different spheres of the society. As a first activity in this sense refugees from the protest camp wrote a refugee protest song, “We love Vienna, je t’aime Vienne”, which was nominated among the 25 best songs out of 200 in the FM4-Protestsong-Contest and will be performed first time publicly in the preliminary competition on friday 25. of january 2013 (7.30 pm) in the Haus der Begegnung Rudolfsheim, Schwendergasse 41.
DAS ORIGINAL ALKBOTTLE BRANNTWEINER DUO
Roman und Didi auf Unplugged-Beisl-Tour!
Täglich erreichen uns hunderte, verzweifelte Hilferufe, wie z.B. solche:
„Liebe Bottle Buam, i würd mir gern eure neue CD anhören, aber der CD-Player in meiner Stammhütte ist eingegangen. Könnt’s ned vorbeikommen und uns des so vorspielen?“
Diesem Wunsch kommen wir natürlich gerne nach und darum werden die zwei Mitglieder der Band ALKBOTTLE, Roman Gregory und Didi Baumgartner, im Frühjahr 2013 ausrücken, um mit Mikrofon, akustischer Gitarre und vielen legendären Bottle Hits im Geschütz gegen die drohenden Anzeichen des um sich greifenden Wirthaussterbens anzukämpfen.
Auch in deinem Kaff!
24.01.2013 – BREAKIN NEWS!!!
Als sprichwörtlichen „Aufwärmgig“ hat sich das Duo nun spontan bereiterklärt, den protestierenden Flüchtlingen in der Votivkirche einen Besuch abzustatten. Um der armen Kirche auch weiterhin die Heizkosten zu ersparen, werden sie am 24.01.2013 ab 17Uhr versuchen, den Asylwerbern mit einem Wienerisch-Crashkurs und mit ihrer Musik einzuheizen. Kritiker werden meinen, es handelt sich um eine perfide Zermürbungstaktik des Innenministeriums, um die Besetzer zur freiwilligen Aufgabe zu zwingen, andere werden sagen: „Endlich a gscheite Musik in der Kirche, versperrt’s den Messwein!“
Short rally at Marcus-Omofuma monument (corner Mariahilferstraße / Museumsquartier) / Kurz-Kundgebung am Marcus-Omofuma-Denkmal (Ecke Mariahilferstr./Museumsquartier)
and then along Mariahilferstraße. / und die Mariahilferstraße entlang.
Communities of all Austrian minorities unite and fight! We are all foreigners – nearly everywhere!
Everybody present from the different communities, initiatives, political organisations, trade unions, etc. will try to mobilize their own organisation(s) and spread the word in his/her environment.
We will not be divided!
Academy of Fine Arts
Lehargasse 8, Wien
Erster stock, M1, Conceptual Art Class
WHEN 24.01.2013, FROM 20.00 TO 22.00
INTERVENTION IN THE RACIST STRUCTURES: REFUGEES and STUDENTS
Talk about the situation of structural racism, dispossesion life in Austria and EU.
Guests: refugees, activists, theoreticians
As part of the project of the class with the title: Kein Runder Gang. Interventionen gegen strukturelle rassistische Diskriminierungen, welche auch Bestandteil der (sich nach außen als kritisch und progressiv präsentierenden) Kunstuniversitäten sind. Bestehend aus „Soziale Kassa“-Bar, Infostand und einer kollektiven Performance.
Bildung für Alle? Critical Whiteness – Where does it stand?