Presseerklärung Diakonie und Caritas: “Politik darf Flüchtlinge nicht im Stich lassen”

Gemeinsamer Appell: Hilfsorganisationen fordern Umdenken der PolitikerInnen. “Nicht alles, was rechtens ist, ist auch menschlich richtig”, betonen Küberl, Landau und Chalupka.

Caritas und Diakonie haben am Dienstag gemeinsam ihre tiefe Sorge im Zusammenhang mit der laufenden Abschiebung von acht pakistanischen Asylwerbern zum Ausdruck gebracht. Gemeinsam mit Franz Küberl (Caritas Österreich) und Michael Chalupka (Diakonie Österreich) bezog Wiens Caritasdirektor Michael Landau zu den nun laufenden Abschiebungen Stellung. “Ich bezweifle, dass die österreichische Bundesregierung für die Sicherheit dieser acht Menschen in Pakistan garantieren kann und dass sie die Sicherheitslage in Pakistan richtig einschätzt. Und ich sage ganz deutlich: Nicht alles, was rechtens ist, ist auch menschlich richtig! Die Flüchtlinge aus dem Servitenkloster haben sich in den vergangenen Monaten exponiert. Sie haben auf Schwächen des österreichischen Asylsystems und auf menschenrechtliche Verletzungen in ihrem Herkunftsland – auf Verfolgung, Folter und Tod – hingewiesen. Wenn diese Menschen nun abgeschoben werden, ist dies menschlich nicht nachvollziehbar. Wir appellieren an die Politik, die Abschiebung zu überdenken und das österreichische Asylwesen endlich zu reformieren, um den Menschen, um die es hier geht, auch als Menschen gerecht zu werden.”

Caritas-Präsident Franz Küberl betont mit Blick auf die Aussagen von Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im ORF-Morgenjournal: “Es darf vor einer Nationalratswahl auch keinen humanitätsfreien Raum geben. Und deswegen ersuche ich um einen auch mitmenschlich fairen Umgang mit den Asylwerbern.” Caritas und Diakonie wiesen einmal mehr darauf hin, dass Österreich in vielen Bereichen des Fremdenrechts noch immer weit von fairen und qualitätsvollen Asylverfahren entfernt ist. “Ziel muss es sein, dass das, was menschlich und menschenrechtlich richtig ist, auch in den Rechtsstandards und Gesetzen zum Ausdruck kommt. Im Asylrecht befinden wir uns in einem steten Ringen um Recht und Verhältnismäßigkeit”, erinnert Diakonie-Direktor Michael Chalupka an die notwendige Verbesserung der Qualität im Asylverfahren und der fehlenden Solidarität im europäischen Asylsystem. “Auch müssen noch immer in Österreich Grundversorgungseinrichtungen geschlossen werden, weil sie jeder menschenwürdigen Beschreibung spotten”, so Chalupka.

Und Caritasdirektor Michael Landau ergänzt: “In Tagen, da Papst Franziskus auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa vor einer Globalisierung der Gleichgültigkeit warnt und Kardinal Christoph Schönborn zu Recht betont, dass Rechtsstaat und Mitmenschlichkeit kein Widerspruch sein dürfen, sollten sich auch die österreichischen PolitikerInnen erneut fragen, ob sie ihrer Verantwortung gerecht werden. Gesetze können dahingehend geändert werden, dass sie nicht nur rechtens, sondern auch menschlich besser vertretbar sind.”

Caritas und Diakonie halten fest: “Die Flüchtlinge aus dem Servitenkloster können nicht besser gestellt werden als tausende andere Flüchtlinge, die in Österreich Schutz suchen. Deshalb fordern wir, dass es menschenrechtliche Anpassungen für alle Asylsuchenden in Österreich geben muss.”

Abschließend präsentierten Küberl, Landau und Chalupka einmal mehr ihre Reformvorschläge für ein gerechteres Fremdenrecht in Österreich:

– Öffnung des Arbeitsmarkts: Caritas, Diakonie und Amnesty fordern einen effektiven Arbeitsmarktzugang nach sechs Monaten für AsylwerberInnen. Zudem sollte eine Umgestaltung der Rahmenbedingungen in der Grundversorgung erfolgen, zum Beispiel sollten die Zuverdienstgrenzen, die aktuell nur bei 110 Euro liegen, angehoben werden.

– Faire und qualitätsvolle Asylverfahren: Caritas, Diakonie und Amnesty fordern eine kontinuierliche, gut zugängliche, kostenlose und alle Bereiche abdeckende Rechtsberatung und Rechtsvertretung im Asylverfahren. Nur so können faire Verfahren gewährleistet werden. Außerdem sollten Abschiebungen in Länder überdacht werden, die für die eigenen Bürger als zu gefährlich erachtet werden.

– Qualitätsvolle Grundversorgung: Caritas, Diakonie und Amnesty fordern einheitliche Standards in österreichischen Grundversorgungseinrichtungen und eine Erhöhung der Grundversorgungsleistungen.

– Echte Reform des EU-Asylsystems: Als Trägerin des Friedensnobelpreises muss die Europäische Union ihrer Verantwortung für Flüchtlinge endlich gerecht werden und das EU-Asylsystem in volle Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention bringen. Die zuletzt präsentierte Harmonisierung des Asylwesens in ganz Europa geht hier nicht weit genug.

– Recht auf Bildung: Das Recht auf Bildung sollte – als Menschenrecht – daher auch jungen Asylsuchenden bei ihrer Ankunft in Österreich uneingeschränkt zustehen. Viele Kinder und ihre Familien haben oft Furchtbares durchgemacht und auch die Lebensumstände im Gastland sind für sie häufig sehr schwierig. Die Schule aber würde den jungen Flüchtlingen eine positiv erlebte Tagesstruktur bieten und ein Gefühl von Normalität und vor allem Stabilität vermitteln.

Caritas und Diakonie rufen alle Menschen in Österreich auf, ein Zeichen gegen zynischen Populismus zu setzen und die Petition “Gegen Unmenschlichkeit” zu unterzeichnen. Mit der Petition wollen wir die zukünftige Bundesregierung zu einer längst überfälligen Reform der Flüchtlingsgesetzgebung in Österreich bewegen. Die österreichischen Gesetze zum Thema Flucht und Asyl sind zur Gänze im Geiste der Menschlichkeit zu überarbeiten!” Die Petition kann hier unterzeichnet
werden: http://gegen-unmenschlichkeit.at/