Dieser Brief wurde in Bern am 8. März 2013 von den Unterzeichnenden persönlich der stellvertretenden Missionschefin der Österreichischen Botschaft, Frau Kornelia Weihs, mit der Bitte um Weiterleitung an Herrn Dr. Heinz Fischer, Bundespräsident der Republik Österreich, übergeben.
An
Herrn Bundespräsident
Dr. Heinz Fischer
Präsidentschaftskanzlei
Hofburg, Leopoldinischer Trakt
Ballhausplatz
A-1014 WienBern, den 8. März 2013
Sehr geehrter Herr Bundespräsident der Republik Österreich,
Wir, Schweizer Bürgerinnen und Bürger, verfolgen mit intensivem Interesse und grosser Sorge die Entwicklung rund um die Flüchtlinge, die sich in der Wiener Votivkirche unter den Schutz der Kirche gestellt haben und inzwischen im Servitenkloster befristet kirchliches Gastrecht geniessen. Es hat uns gefreut, dass die Flüchtlinge und ihre Anliegen breite Sympathien in Teilen der österreichischen Bevölkerung gefunden haben. Dadurch wurde das Bild von der Vorherrschaft rechtsextremistischer Fremdenfeindlichkeit in Österreich, das bei uns oft kolportiert wird, korrigiert.
In der Schweiz sind wir in einer ähnlichen Situation: Die fremdenfeindlichen Demagogen wollen – auf dem Rücken der Schwächsten in der Gesellschaft – die Tagesordung bestimmen. Seit Jahren halten wir dagegen und setzen uns für die Rechte von ImmigrantInnen und Flüchtlingen ein.
Der Hungerstreik der Flüchtlinge in der Votivkirche in Wien hat bei uns in der Schweiz Betroffenheit ausgelöst. Wir wissen aus Erfahrung, dass sich die Hilfesuchenden erst aus letzter Verzweiflung in die Kirche flüchten und deren Schutz in Anspruch nehmen. Deshalb hoffen wir inständig, dass sich die staatlichen Behörden in Ihrem Land zur Bereitschaft durchringen, zusammen mit der helfenden Hand der Kirche eine menschliche Lösung für die betroffenen Menschen zu finden. Dass dies möglich ist, wenn auch schwierig für alle beteiligten Seiten, haben unsere Erfahrungen mit Kirchenasyl in der Schweiz gezeigt.
Dass Sie sich, sehr geehrter Herr Bundespräsident, vor kurzem in einem offenen Brief an die Flüchtlinge in der Votivkirche gewandt haben und im Rahmen der geltenden Gesetze für eine Lösung einsetzen wollen, hat wesentlich zur vorläufigen Entspannung des Konfliktes beigetragen. Sie haben gezeigt, dass Sie die Flüchtlinge und deren Anliegen ernst nehmen.
Wir bitten Sie, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, damit eine menschliche Lösung für jeden der Betroffenen gefunden werden kann. Um zu einer solchen Lösung zu kommen und ein Klima des Vertrauens zu schaffen, müssten zumindest Zwangsabschiebungen in die krisengeschüttelten Herkunftsländer von vorneherein ausgeschlossen werden.
Wir wünschen uns, dass die verzweifelten Menschen, die in der Votivkirche in Wien Schutz gesucht haben, nicht nur von der Kirche barmherzig empfangen, sondern auch gastfreundlich von den staatlichen Institutionen behandelt werden. Dabei zählen wir auf Ihre gewichtige Stimme und danken Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, für Ihre Offenheit.Hochachtungsvoll,
die Unterzeichnenden:
Constanze Warta, Europäisches BürgerInnenforum
Claude Braun, C.E.D.R.I. (Europäisches Komitee zur Verteidigung der
Flüchtlinge und Gastarbeiter)
Michael Rössler, Verein Freundeskreis Cornelius Koch, Solidarité Chrétienne
Albert von Fellenberg, pensionierter Pfarrer
Moreno Casasola, Sekretär von Solidarité sans frontières
Martin van Egmond, Pfarrer, Solidaridätsnetz Bern
Judith Huber, Sekretärin v. Referendums-Komitee gegen die Verschärfung
des Asylgesetzes
Jacob Schädelin, Pfarrer
Hannes Reiser, Co-Präsident Anlaufstelle Sans Papiers, Basel