St. Gallen, 22. Januar 2013
Solidarität mit den Flüchtlingen in der Wiener Votivkirche
Asyl ist ein Menschenrecht
Am 24. November des Vorjahres starteten Asylsuchende im überfüllten Aufnahmelager Traiskirchen (Niederösterreich) zu einem Marsch nach Wien, um auf die Mißstände der österreichischen Flüchtlings- und Asylpolitik aufmerksam zu machen. Ein von ihnen errichtete Zeltlager im Wiener Sigmund Freud-Park wurde in der Nacht auf den 28. Dezember von Einsatzkräften der Wiener Polizei zerstört und geräumt. Etwa 40 Asylsuchende befinden sich seither in der nahen Votivkirche im Hungerstreik. Ihr Protest richtet sich insbesondere gegen das Beschäftigungs- und Weiterbildungsverbot für Asylwerber, ihre Unterbringung in entlegenen, von der Bevölkerung isolierten Quartieren, die willkürliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit und die unzulänglichen, häufig tendenziös falschen Übersetzungen der vom Bundesministerium für Inneres beigezogenen Dolmetscher. Sie verlangen rasche und faire Asylverfahren, Abschiebungsstop, Überprüfung aller negativen Asylbescheide durch eine von staatlichen Stellen unabhängige Kommission und die Anerkennung von sozioökonomischen Fluchtmotiven.
Im Geiste ihres Namensgebers solidarisiert sich die Paul Grüninger Stiftung mit den Asylsuchenden und ihren Anliegen. Die Stiftung ist von den Nachkommen des St. Galler Polizeihauptmanns Paul Grüninger gegründet worden, der nach der Annexion Österreichs durch das Dritte Reich Hunderten jüdischen und anderen Flüchtlingen aus Österreich das Leben gerettet hat, indem er sie gegen die Weisungen des Bundes in der Schweiz aufnahm. Deshalb wurde er 1939 aus dem Dienst entlassen und im Jahr darauf wegen Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung verurteilt. Mehr als zwanzig Jahre nach seinem Tod, 1993 und 1995, wurde Grüninger politisch und juristisch rehabilitiert.
Allein schon wegen der Hilfe, die Paul Grüninger österreichischen Flüchtlingen geleistet hat, betrachtet es die Paul Grüninger Stiftung als ihre Pflicht, sich mit den Asylsuchenden in Österreich zu solidarisieren. Sie erinnert in diesem Zusammenhang an jüngste Äußerungen der Präsidentin des Stiftungsrates, Grüningers Tochter Ruth Roduner, wonach ihr Land, die Schweiz, aus seinem schuldhaften Verhalten gegenüber Flüchtlingen aus Nazideutschland nichts gelernt habe und die Politik ihr Scheitern heute wohl erst Jahrzehnte später begreifen werde. Nach Auffassung der Paul Grüninger Stiftung gilt Ruth Roduners Urteil auch für die flüchtlingspolitischen Entscheidungsträger Österreichs und deren Vollzugsgehilfen.
Im Auftrag der Paul Grüninger Stiftung:
Erich Hackl, Schriftsteller und Stiftungsrat, Wien
Martin Pollack, Schriftsteller und Stiftungsrat, Bocksdorf
Stefan Keller, Historiker und Vizepräsident der Stiftung, ZürichRückfragen: +41 79 577 31 40, +41 44 463 01 71
www.paul-grueninger.ch