Brief aus der Votivkirche, 11.1.2013:
Dies ist ein Aufruf zur Menschlichkeit, denn ich werde heute mit der Stimme meines Herzens schreiben. Ich habe schon von meinen Problemen berichtet, als Teil der Interviews im Alsyprozess, aber niemand hat mir zugehört, denn ich habe zwei Mal einen negativen Bescheid bekommen. Heutzutage könnt ihr alles über die Situation in Pakistan lesen oder sehen, wenn ihr in Youtube oder Google sucht, aber nun hört auch mein Herz.
Parachinar liegt im Nordwesten Pakistans, nahe der afghanischen Grenze. Parachinar wurde einst Papageienschnabel genannt, aber seit 2007 bis jetzt ist es nur ein Ort des Blutes. In Parachinar wurden schiitische Moslems seit vielen Jahren verfolgt.
Doch die pakistanische Regierung hat dem keine Aufmerksamkeit geschenkt. Denn auf der afghanischen Seite ist die NATO und von der pakistanischen Seite kommen Al Quaida, Taliban, Lashkar-e-Jhangvi, Sipah-e-Sahaba und andere dschihadistische Organisationen. Die Straße von Parachinar zu Peshawar ist seit 2007 bis jetzt für schiitische Moslems geschlossen. Manchmal gibt es von der Armee ein Schutzgeleit, damit Personen diese Straße nützen können. Aber die Taliban, Lashkar-e-Jhangvi und andere dschihadistische Organisationen feuern trotzallem mit Werfern und anderen Waffen auf den Konvoi. Dadurch haben wir so viele junge Menschen, Frauen und Kinder verloren. Die terroristischen Organisationen nehmen Schiiten auch als Geiseln und verlangen hohe Beträge für ihre Freilassung. Wenn sie das Geld nicht bekommen, schneiden sie den Geiseln die Hände, die Beine, und schließlich den Kopf mit Maschinen ab. Das ist eine unbeschreiblich grausame Situation. Auch davon können Sie Bilder im Internet sehen.
Die Taliban, Lashkar-e-Jhangvi, Sipah-e-Sahaba und auch ein paar andere Organisationen wollen die Straße nach Afghanistan passieren, um dort gegen die NATO und die unschuldigen Menschen von Afghanistan zu kämpfen. Aber die Schiiten in Kurram Agency haben sich mit diesen Forderungen nicht einverstanden erklärt und erlauben ihnen nicht die Straße zu nutzen. Wir wollen nur Frieden, denn sollten wir die Erlaubnis geben, würde uns auch die NATO bekämpfen.
Selbst wenn eine Ambulanz von Parachinar nach Peshawar fährt, attackieren diese terroristischen Gruppen und ermorden die Leute im Krankenwagen. Von Zeit zu Zeit bewirkt die pakistanische Regierung ein Friedensabkommen in Parachinar. Aber nach nur einem Monat Frieden, zünden die Terroristen wieder Bomben und beginnen wieder zu morden. Daher bin ich der Meinung, dass es in der Region keinen Frieden gibt.
Neben den Morden, gibt es dort auch nicht ausreichende medizinische Versorgung und anderen lebensnotwendigen Bedarf. Auch das Kommunikationsystem ist sehr schlecht in der Region. Die Menschen sind auch nicht in der Lage ihr Land zu bewirtschaften, da die Terrororganisationen das Wasser im Fluss blockiert haben. Das sind die Umstände in Parachinar. Es ist fast so, als wäre die Region vom restlichen Pakistan abgeschnitten.
Auch im restlichen Land haben die verschiedenen Schiiten so viele Probleme. Jeden Tag werden mehr als 10 Schiiten ermordet. Wenn wir durch Pakistan reisen passiert es oft, dass unbekannte Personen den Bus anhalten und nach der Religionszugehörigkeit und der Identifikation fragen. Wenn sie herausfinden, dass die Person schiitisch ist, bringen sie die Person um. Sie filmen ihre Tat und schicken das Video zusammen mit der Leiche zurück and sagen, dass sie alle Schiiten töten werden, die sie finden. Heutzutage ist das Normalität für die Schiiten von Parachniar, D.I. Khan, Gilgit, Baltistan und Quetta und von anderen pakistanischen Städten.
Am 30. Dezember 2012 verloren 30 schiitische Moslems ihr Leben bei einem Bombenattentat in der Nähe von Mustorung Quetta. Und heute, am 10. Jänner, verloren mindestens 95 schiitische Moslims ihr Leben in der Quetta-Explosion und 22 wurder im SWAT-Tal ermordet. Bei der Explosion wurden mehr als 200 Menschen verletzt. Und am 9. Jänner wurde Dr. Raiz Haussein, Parteiobmann der Pakistischen Volkspartei (Pakistan Peoples Party, PPP) von Kurram Agency, in Peshawar ermordet. Ich habe in meinem Leben noch nie eine so entsetzliche Situation erlebt. Und die Lage wird schlimmer und schlimmer.
Wir sind Menschen, und wir wollen auch auf dieser Welt leben. Was ist unser Fehler? Warum bringen uns die Menschen um? Bitte helfen Sie uns! Auch wir wollen Friede, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Solidarität und ein glückliches Leben. Es gibt so viele Glaubensgemeinschaften, religiöse Gruppierungen und Menschen auf dieser Welt. Wir sind auch ein Teil davon. Wir sind unschuldige Menschen. Im Namen Gottes, bitte helft uns!
Tur Arif Hussain, Kurram Agency, Parachniar, Pakistan