Während “christlichsoziale” und “sozialdemokratische” PolitikerInnen seit Wochen auf Tauschstation sind und sich zu den anhaltenden Protesten, Forderungen und Lösungsvorschlägen der Refugees nicht oder nur zynisch äußern, gibt es eine große Welle der Solidarität aus dem kirchlichen Bereich. Mittlerweile steht neben der Gewerkschaft nun auch die Kirche hinter wesentlichen Forderungen der Flüchtlinge.
Kontakte mit Refugees und UnterstützerInnen und aktive Solidarität aus dem kirchlichen Bereich gab es seit Anbeginn der Proteste, wie auch durch die Teilnahme einzelner AmtsträgerInnen am Protestmarsch aus Traiskirchen oder später im RefugeeProtestCamp immer wieder sichtbar wurde. Nach der umstrittenen polizeilichen Räumung des Camps bzw. der Schutzsuche zahlreicher Refugees in der Votivkirche, haben sich diese Kontakte intensiviert, die Solidarität wurde stärker und nun auch medial sichtbarer.
Im Folgenden einige besonders bemerkenswerte Statements aus dem theologischen bzw. kirchlichen Bereich alleine aus der letzten Woche. Schön wäre es, wenn ähnliche Stimmen nun auch in bzw. aus ÖVP- und SPÖ vernehmbar würden:
Schwester Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden in Österreich
“Es kann nicht sein”, so die künftige oberste Ordensschwester Österreichs wörtlich, “dass Menschen mitten in Wien um ihr Leben fürchten müssen, während nur einige hundert Meter weiter Silvester gefeiert und auf ein hoffnungsfrohes neues Jahr angestoßen wird.” Es stelle sich die Frage, so Mayrhofer in einer Anspielung auf die Räumung des Camps vor der Kirche am Freitag, ob man damit nicht den vielen Wien-Touristen den Anblick von Elend ersparen haben wollen.
Wie Mayrhofer ankündigte, werden sich die Frauenorden um konkrete Hilfestellungen für die Flüchtlinge in Zusammenarbeit mit Caritas und Diakonie bemühen. Unmittelbar bräuchten die frierenden Männer in der Votivkirche Wärme, “und das heißt den ununterbrochenen Betrieb von Heizstrahlern, Matten und Decken. Mehr noch brauchen die Flüchtlinge aber menschliche Nähe und Solidarität.”
Pater Lorenz Voith, Redemptoristen-Provinzial und zweiter Vorsitzender der Superiorenkonferenz der Männerorden
“Sichtbare Bewegung und konkrete Taten im Bereich der Grundversorgung und der dortigen Standards” ist nach den Worten von P. Lorenz Voith als Vertreter der Männerorden in Österreich angesichts der Situation in der Votivkirche erforderlich. (…) Die Lage der Asylwerber in Österreich bezeichnete P. Voith als “unzureichend”. Viele der Forderungen der Votivkirchenflüchtlinge würden von sozialen und humanitären Organisationen geteilt. “Auf dem Rücken der Asylwerber werden viel zu lange Verfahren abgewickelt und diese in teilweise beschämenden Notquartieren ‘abgestellt'”, so der Redemptorist. Erleichterungen forderte Voith beim Zugang zum Arbeitsmarkt, hier gelte es “Barrieren abzubauen”. Ein monate- bis jahrelanger “Stillstand” sei für die Flüchtlinge “unwürdig und drängt sie in die nie gewollte passive Opferrolle”. Damit Asylwerber “nicht länger zu Bittstellern degradiert oder der Willkür von Amtsträgern ausgeliefert werden”, müssen nach Überzeugung der Männerorden Gesetze und Verordnungen weiterentwickelt werden, die eine “Durchführung auf Augenhöhe” ermöglichen.
Regina Polak, Pastoraltheologin und Religionssoziologin, Institut für Praktische Theologie an der Universität Wien
Migration gehöre wie die Sesshaftigkeit zur menschlichen Geschichte. Ohne Migration wäre die Besiedelung der Erde gar nicht möglich gewesen, wies Polak hin. Die wesentliche Ursache zeitgenössischer Migration sieht sie in der ungerechten Wohlstands- und Güterverteilung zwischen dem reichen Norden und dem armen “Süden”. Europa sei im 20. Jahrhundert zum Einwanderungskontinent geworden, Migration sei in der Regel aber verbunden mit Erfahrungen von Armut, Gewalt und Exklusion. (…)
Auch für die Kirche berge Migration enorme Lernchancen. Sie könne Gerechtigkeit neu erkennen, bekomme Anstöße zu sozialem Engagement, lerne miteinander zu leben in Vielfalt und Diversität – etwas, das Polak als “gut katholisch” bezeichnete. “Aber dies kann nur mit den Menschen mit Migrationsgeschichte gemeinsam erfolgen!
Christoph Schönborn, Erzbischof
Der Platz der Kirche ist auf der Seite der Menschen in Not: Das betont Kardinal Christoph Schönborn in seinem Freitag-Kommentar in der Gratiszeitung “Heute”, in dem er Stellung nimmt zu den in der Votivkirche protestierenden Asylwerbern. Der Wiener Erzbischof spricht sich darin für eine ganzheitliche Problemsicht aus, die sowohl die Notwendigkeit “gesetzlich gut geregelter Asylverfahren” als auch “ein menschliches Hinschauen auf die einzelnen Situationen” und persönlichen Schicksale ernst nimmt.
Die sich in der Votivkirche aufhaltenden Flüchtlinge, von denen sich einige seit zwei Wochen im Hungerstreik befinden und die “trotz Quartierangebot von unserer Caritas die eiskalte Kirche nicht verlassen” wollen, würden mit ihrem Protest “bescheidene Anliegen” wie das Recht auf Arbeit oder ein menschenwürdiges Wohnen artikulieren, so Kardinal Schönborn.
Michael Chalupka, Direktor der evangelischen Diakonie
Der Hungerstreik ist ein Hilfeschrei: Davon zeigte sich der Direktor der evangelischen Diakonie, Michael Chalupka, bei seinem Besuch der Flüchtlinge in der Votivkirche am Montagvormittag überzeugt. Die verantwortlichen Politiker sollten Kontakt mit den Asylwerbern aufnehmen, forderte Chalupka in der Votivkirche
Franz Küberl, Caritas-Präsident
Die Sorgen der Flüchtlinge in der Votivkirche stimmen zum Großteil mit Forderungen überein, die die Caritas, die Diakonie und andere Hilfsorganisationen schon seit langem erhoben haben. Darauf hat Caritas-Präsident Franz Küberl am Montag im Interview mit der “Kathpress” hingewiesen. Küberl fand klare Worte zur Kernaufgabe der Caritas Wien bei den in Hungerstreik befindlichen Asylwerbern und ersuchte die Regierung darum, im Sinne einer Lösung “vernünftige Formen des direkten Kontakts” mit den Betroffenen aufzunehmen.
Als bestehende Forderungen der Caritas im Hinblick auf die Asylwerber-Grundversorgung rief Küberl in Erinnerung, dass etwa die Ortswahl bei den Flüchtlingsunterbringungen den Asylwerbern Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung, Deutschkursen und Kontakt mit der Bevölkerung garantieren sollte.