KOMMENTAR | IRENE BRICKNER, 26. November 2012, 18:09
Asylwerber haben im Wiener Sigmund-Freud-Park erstmals eine Stimme bekommen
Auf die mit dem Marsch von Traiskirchen nach Wien unübersehbar gewordenen Proteste von Asylwerbern wurde in den vergangenen Tagen auf recht österreichische Art und Weise reagiert. Erst wurde, auch von Unterstützerseite, die Frage “Dürfen s’ denn das?” gestellt. Es lag am Innenministerium, das derzeit in der Frage übrigens recht liberal agiert, dies mit Hinweis auf die Demonstrationsfreiheit zu bejahen.
Nun äußern Flüchtlinge in einem Protestcamp vor der Votivkirche auf verbal drastische Weise ihre Kritik am Asylwesen – und schon kommt die Frage auf, ob das denn auch echte, authentische Meinungen seien. Auf die Idee, dass sich hier, wo es erstmals ein Forum für derlei gibt, Verzweiflung und Zorn über die vielfach von Misstrauen und Ablehnung getragene Behandlung Schutzsuchender entlädt, kommen nur wenige. Zu eingespielt ist die Anti-“Asylanten”-Argumentation mit sozial akzeptierten Meinungsäußerungen wie: “Sollen s’ doch zurückgehen, wo sie hergekommen sin, wenn es ihnen bei uns nicht passt.”
Doch genau das können die meisten Flüchtlinge auf gar keinen Fall – weil sie nicht zum Spaß, sondern vielfach wegen Lebensgefahr ihre Heimat verlassen mussten. Den Bedingungen in Europa sind sie auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Nun haben einige von ihnen im Wiener Sigmund-Freud-Park erstmals eine Stimme bekommen. Dieser zuzuhören, statt nur zu schimpfen, lohnt. (Irene Brickner, DER STANDARD, 27.11.2012)