Nach wochenlangem Schweigen in der Sache antwortet Bundespräsident Heinz Fischer nun auf ein an ihn gerichtetes Schreiben eines protestierenden Refugees. Update 21.2.2013: Die Geflüchteten laden Präsident Fischer im Gegenzug zu ihnen in die Votivkirche ein – zum gemeinsamen Abendessen.
Sehr geehrter Herr S.K.!
Ich habe Ihr Mail vom 9. Februar erhalten und sorgfältig gelesen und versuche, Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten.
Schon in den vergangenen Wochen habe ich immer wieder darüber nachgedacht, ob und wie man Ihnen und den anderen in der Votivkirche aufhältigen Flüchtlingen helfen kann.
Denn Menschen, die all das auf sich nehmen, was Sie und die von Ihnen erwähnten Personen auf sich nehmen, verdienen es, ernst genommen zu werden.
Das war auch der Inhalt von Gesprächen, die ich mit Frau Innenministerin Mag. Mikl-Leitner und mit Vertretern der Caritas geführt habe, die sich ebenfalls Sorgen um Ihre Gesundheit und Ihr Schicksal machen.
Daher möchte ich klar und deutlich sagen, was ich tun kann bzw. was wir mit vereinten Kräften tun können, und was wir nicht tun können.
Wir können uns auch in einer tragischen und heiklen Situation nicht über die Gesetzeslage, über Gerichtsentscheidungen oder über die Abgrenzung verschiedener Verantwortungsbereiche in Österreich hinwegsetzen.
In dieser Beziehung gibt es offenbar einen Unterschied zwischen Österreich und den Erfahrungen, die Sie vielleicht in anderen Ländern gemacht haben.
Was wir aber tun können und auch gerne tun wollen ist, Ihre derzeitige gesundheitsgefährdende und für alle Beteiligten im höchsten Maße unbefriedigende Lage zu verbessern und im Rahmen der geltenden Gesetze zu helfen.
Wenn Sie sich entscheiden könnten, das Angebot des Herrn Kardinals anzunehmen und unter dem Schutz der Kirche in das angebotene Quartier zu übersiedeln, wäre das ein wichtiger und positiver Schritt in die richtige Richtung. Damit wäre auch eine Grundlage geschaffen, damit in Gesprächen mit jedem einzelnen Betroffenen eine individuelle Perspektivenabklärung erfolgen kann. Es muss aber in diesem Zusammenhang noch einmal betont werden, dass die verfassungsmäßigen Rechte des österreichischen Bundespräsidenten keine Grundlage dafür schaffen, dass ich mich in einzelne Verfahren einschalte. Auch sieht die österreichische Rechtslage so etwas wie ein allgemeines Bleiberecht nicht vor.
Ich bitte Sie, Vertrauen zu haben in die Zusage der Frau Innenministerin, dass für jeden einzelnen von Ihnen eine rasche Abklärung der individuellen rechtlichen Situation und der individuellen Perspektiven durchgeführt wird. Dazu ist es aber notwendig, dass Sie die Kirche verlassen.
Ich hoffe, Sie spüren und glauben mir, dass ich Ihnen wirklich helfen möchte, aber ich kann meinen verfassungsmäßigen Spielraum nicht überschreiten und bin außerdem überzeugt, Ihnen mit diesem Vorschlag am besten zu helfen.
Der Inhalt dieses Schriftwechsels ist sowohl dem Herrn Kardinal als auch der Frau Bundesministerin für Inneres bekannt.
Ich bleibe mit besten Grüßen
Dr. Heinz Fischer
After long silence: The Federal President’s letter to a refugee in Vienna church “Votivkirche”
After weeks of silence the Federal President Heinz Fischer now replies to a letter addressed to him by a protesting refugee. Update Feb 21, 2013: In return of his letter the refugees invite president Fischer to dine together in Votive Church.
Dear Mister S.K.!
I received your email from Feb 9 and read it carefully, and I am trying to answer you to the best of my knowledge and belief.
Throughout the last weeks I have been thinking if and how one could help you and the other refugees who are currently in Votivkirche Church.
For those people deserve to be taken seriously, who take upon themselves all that you and the persons mentioned by you take upon themselves.
This was also topic of talks I had with Mrs. Home Secretary Mag. Mikl-Leitner and representatives of Caritas, who too are worried about your health and your destiny.
Therefore I would like to be clear on what I can do – respectively what we can do with united forces, and what we can’t do.
Even in a tragic and precarious situation we cannot override the legal framework, legal decisions or the distinction of different areas of authority in Austria.Regarding these matters there seems to be a difference between Austria and the experiences you may have made in other countries.
However, what we can do and would like to do is to help within the boundaries of the prevailing law and ameliorate your current situation, which is harmful to your health and highly unsatisfactory to everyone involved.If you could decide to accept Mr. Cardinal’s offer and move, under the protection of the church, to the offered accommodation, it would be an important and positive step in the right direction. Doing so would provide a basis for talks in which we can clarify individual perspectives for every person concerned. However, in this context I need to emphasize once again that the constitutional rights of the Austrian Federal President do not establish any basis for me to intervene in particular proceedings. Neither does the Austrian law involve anything like a general right of residence.
I ask you to have confidence in Mrs. Home Secretary’s assurance that for each one of you a speedy clarification of the individual legal situation and individual perspectives will be conducted. But for this to happen it is necessary that you leave the church.
I am hoping you feel and believe me, that I truly wish to help you, but I cannot overstep the constitutional bounds, and moreover, I am convinced I can help you best with this proposal.
Mr. Cardinal as well as Mrs. Home Secretary know about the content of this exchange.I remain respectfully yours
Dr. Heinz Fischer
(Übersetzung: ÜbersetzerInnenpool RefugeeCamp)
[…] in their reply to President Fischer’s letter, the refugees had signalized their willingness to talk: “We invite the president and the ones […]